Nachrichten aus und über Kuba
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Revolution auf Kurzwelle
Radiogeschichte(n): In Kubas Schicksalsjahr 1961 ging Radio Habana Cuba auf Sendung.
Ende der 80er Jahre noch analog: Post an den Autor von Radio Habana Cuba
Foto:ipb/jW
Beim Stöbern in alten Unterlagen fällt mir ein Umschlag in die Hände. Der Stempel ist verblasst, mit Mühe entziffere ich das Datum, den 20. Dezember 1996. Der Absender ist dagegen noch gut lesbar: Postfach 6240 in Havanna, Kuba. Der Brief stammt von Radio Habana Cuba, dem Auslandsrundfunk des revolutionären Inselstaates. Eine Lourdes López bedankt sich für meine Nachricht, die ich am 15. Juli per E-Mail geschickt habe. In ihrem Brief informiert sie mich über die Sendezeiten und lädt mich ein, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Es gibt zwei Reisen zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten zu gewinnen, die im Sommer 1997 in Havanna stattfinden.
Ich weiß nicht, ob es mir damals aufgefallen ist: Auf eine E-Mail vom Sommer kommt kurz vor Weihnachten eine maschinengeschriebene Antwort per Post, Vermutlich wurden damals in Havanna alle eingehenden Mails ausgedruckt und dann zusammen mit traditionellen Schreiben beantwortet. Eine eigene Homepage hatte der Sender damals noch nicht.
Radio Habana Cuba ist ein Kind der heißesten Phase der kubanischen Revolution. Testsendungen begannen am 24. Februar 1961 unter dem Namen »Experimentelle Kurzwelle« – und fanden offenbar schnell erste Hörer. Am 16. April 1961, dem Vorabend der Söldnerinvasion in der Schweinebucht, verkündete Revolutionsführer Fidel Castro die Existenz der neuen Station: »Glauben sie etwa, sie könnten die Wahrheit vor der Welt verbergen? Nein, denn Kuba hat heute schon einen Radiosender, der nach ganz Lateinamerika sendet und von unzähligen Brüdern in Lateinamerika und der ganzen Welt gehört wird.« Es war die historische Rede, in der Castro auch den sozialistischen Charakter der Revolution verkündete. Und während die Milizen in Playa Girón den von der CIA ausgerüsteten Angreifern eine vernichtende Niederlage bereiteten, übertrug der neue Sender auf Kurzwelle die Kommuniqués der Regierung und wahrheitsgetreue Berichte über das Geschehen. Offiziell nahm RHC seinen Betrieb dann am 1. Mai 1961 auf – mit der Direktübertragung der Feier des Sieges auf der Plaza de la Revolución in Havanna.
Die Anfänge waren bescheiden. RHC nutzte zunächst einen kleinen Sender, der nur in Mittelamerika zu hören war. Dann wurden in der Schweiz zwei Zehn-Kilowatt- und zwei 100-Kilowatt-Anlagen erworben. Als Studios dienten Einrichtungen des Inlandsprogramms Radio Progreso, die Programme wurden per Telefonleitung zu den Sendeanlagen überspielt. Heute sendet man täglich in neun Sprachen. Verbreitet wird das Programm längst nicht mehr nur über Kurzwelle, sondern auch per Livestream im Internet. Doch der Geist der ersten Sendungen hat sich erhalten: Das Pausenzeichen besteht bis heute aus den Takten der Hymne des 26. Juli, des Liedes der Guerilleros aus der Sierra Maestra. Und die Ansage, mit der sich RHC stündlich meldet, lautet auch heute noch: »Hier ist Radio Habana Cuba aus Kuba – dem freien Gebiet Amerikas!«
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 05.09.2019