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Temer wieder frei

Brasiliens Expräsident nach wenigen Tagen aus Haft entlassen. Linke fordern: Auch Lula muss raus.

Brasiliens Staatsanwaltschaft will Widerspruch gegen die vorläufige Freilassung von Expräsident Michel Temer und sieben weiteren im Zusammenhang mit der »Lava Jato«-Korruptionsaffäre Angeklagten einlegen, berichtete am Dienstag die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina unter Berufung auf Justizkreise. Am Vorabend war der 78jährige aus dem Polizeigefängnis von Rio de Janeiro entlassen worden, in dem er seit dem vergangenen Donnerstag eingesessen hatte. Ein Berufungsrichter hatte entschieden, dass die gegen Temer erhobenen Vorwürfe »veraltet« seien. »Bei der Untersuchung des Falls habe ich festgestellt, dass es nicht gerechtfertigt ist, noch zwei Tage zu warten«, sagte Richter Antonio Ivan Athié laut dem Nachrichtenportal G1. Ursprünglich war die Verhandlung zum Antrag auf einstweilige Freilassung Temers für Mittwoch angesetzt worden.

Die Parlamentsabgeordnete Erika Kokay von der linken Arbeiterpartei (PT) begrüßte die Freilassung Temers. Seine Inhaftierung sei »offenkundig illegal« gewesen, schrieb sie auf Twitter. »Wir verteidigen den Rechtsstaat auch für unsere politischen Gegner.«

Der frühere Vizepräsident Temer hatte die Macht 2016 im Zuge des institutionellen Staatsstreichs gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff ergriffen. Der PT-Politikerin wurden Unregelmäßigkeiten während des Wahlkampfs zur Last gelegt. Für die Rechtsparteien war das die Chance, die verhasste Nachfolgerin von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu stürzen. Mit dem Seitenwechsel von Temers »Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung« hatten sie dafür die Mehrheit der Abgeordneten, und der bisherige Vize konnte sich endlich selbst die Schärpe des Staatschefs überstreifen. Temer galt jedoch schnell als der unpopulärste Präsident in der Geschichte Brasiliens und musste sich schon während seiner Regierungszeit bis Ende 2018 mit Vorwürfen der Korruption, der Behinderung der Justiz und der Bildung krimineller Vereinigungen auseinandersetzen. Aufgrund seiner Immunität als Staatschef wurden alle Vorwürfe zu den Akten gelegt, können seit der Amtsübernahme durch Jair Bolsonaro am 1. Januar jedoch wieder aufgerollt werden.

Temer sei immer »ein Feind des brasilianischen Volkes« gewesen, kommentierte die linke Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL). Seine Inhaftierung in einer Phase der politischen Instabilität diene jedoch vor allem dazu, die öffentliche Aufmerksamkeit von den jüngsten Angriffen der ultrarechten Regierung Bolsonaro abzulenken, hieß es in einem aus Anlass der Festnahme Temers veröffentlichten Kommuniqué. Ihm müsse nach den Regeln der Gesetze der Prozess gemacht werden, forderte die Partei: »Die PSOL bekämpft die Korruption ebenso wie ihren Gebrauch zu politischen Zwecken durch die Institutionen der Justiz.«

Die brasilianischen Linken fragen vor allem, ob die Entlassung Temers auch Konsequenzen für den immer noch inhaftierten Lula haben könnte. Wie die Zeitung Diario de Pernambuco am Montag berichtete, könnte der PT-Politiker von einer Regelung profitieren, nach der ein Verurteilter mit Verbüßung eines Sechstels der Haftstrafe in den offenen Vollzug wechseln kann. Es gebe »viel Bewegung«, damit Lula zumindest in Hausarrest komme, so das Blatt weiter. So könne eine Reduzierung der zwölfjährigen Haftstrafe dazu führen, dass der 73jährige sofort aus dem Gefängnis freikomme. Lulas Verteidigung kündigte am Montag (Ortszeit) an, die vollständige Aufhebung der Verurteilung ihres Mandanten beantragen zu wollen.

Lula war 2017 vom damaligen Richter und heutigen Justizminister Sérgio Moro zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er im Gegenzug für Gefälligkeiten von einem Unternehmen ein dreistöckiges Luxusappartement in Guarujá erhalten haben soll. Lula bestreitet die Vorwürfe – und Beweise gab es nicht. Trotzdem stand das Urteil offenbar von Anfang an fest, um den populärsten Politiker des Landes ins Gefängnis zu stecken und ihm zugleich eine Rückkehr in das Präsidentenamt zu verwehren. Alle Umfragen hatten Lula als klaren Favoriten für die Präsidentschaftswahl 2018 gesehen – doch die brasilianische Justiz verhinderte seine Kandidatur, und Wahlsieger Bolsonaro bedankte sich anschließend mit dem Ministerposten für Moro.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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André Scheer
junge Welt, 27.03.2019