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Debatte um neue Verfassung
In Kuba diskutierte die Bevölkerung über den Entwurf eines Grundgesetzes.
In Kuba hat die vom Vorsitzenden der Kommunistischen Partei (PCC) Raúl Castro geleitete Redaktionskommission am Donnerstag vergangener Woche eine erste Zwischenbilanz der am 15. November beendeten dreimonatige Volksaussprache über den Entwurf für eine neue Verfassung veröffentlicht. In Tausenden von Versammlungen hatten die Bürger Teile des Entwurfes ändern, einzelne Paragraphen oder Sätze streichen, umformulieren oder neue hinzufügen könne.
Die redaktionelle Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, die Ergebnisse aus diesen Beratungen in den nächsten Wochen zu einem endgültigen Entwurf zu bündeln, der dann erneut dem Parlament vorgelegt wird. Die Veränderungen können in Kraft treten, wenn zwei Drittel der Abgeordneten und die Mehrheit der Bevölkerung sich in einem Referendum dafür aussprechen. Der Volksentscheid über die neue Verfassung soll am 24. Februar 2019 stattfinden, dem Jahrestag des 1895 begonnenen zweiten Unabhängigkeitskrieges gegen die spanische Kolonialherrschaft.
Das PCC-Zentralorgan Granma berichtete am vorigen Donnerstag über die erste fünftägige Arbeitssitzung der Redaktionskommission, in der die Diskussionen ausgewertet worden waren. Danach hatten sich bis zum 15. November rund 8,9 Millionen Bürger an mehr als 133.000 Versammlungen in Betrieben, Verwaltungen, Stadtteilen und Bildungseinrichtungen beteiligt. In rund 1,7 Millionen Wortmeldungen waren dabei mehr als 780.000 konkrete Vorschläge gemacht worden.
Laut dem Internetportal Razones de Cuba sind von den insgesamt 755 Absätzen des Entwurfs lediglich acht nicht modifiziert worden. »Die Bevölkerung war kein Zuschauer, sondern hat den Prozess aktiv gestaltet«, kommentierte der Sekretär des Staatsrates, Homero Acosta, die Zahlen. Zum ersten Mal hatten sich auch die im Ausland lebenden Kubaner beteiligen können. Auf einer dafür eingerichteten Internetseite waren 2.125 Vorschläge eingereicht worden.
Der im Außenministerium für die konsularischen Angelegenheiten der im Ausland lebenden Kubaner zuständige Abteilungsleiter, Ernesto Soberòn, äußerte sich zufrieden über das Interesse der Exilgemeinde. Zwar könnten die im Ausland lebenden Bürger aufgrund des kubanischen Wahlgesetzes nicht selbst am Referendum teilnehmen, doch ihre Beteiligung habe die Diskussion bereichert. »Sie verfügen über interessante Erfahrungen in den jeweiligen Aufenthaltsländern und können Vergleiche stellen«, erklärte Soberón.
Die größte Resonanz habe es auf die Vorschläge zur Amtszeitbegrenzung auf zwei mal fünf Jahre für den Präsidenten, zur Aufteilung der politischen Macht zwischen Staatsoberhaupt (Präsident) und Regierungschef (Premierminister) sowie zur Vorschrift, dass der künftige Präsident zum Zeitpunkt seiner ersten Wahl jünger als 60 Jahre sein muss, gegeben, berichtete Razones de Cuba in einer ersten Analyse. Tausende Kommentare hätten sich auf Themen wie das Recht auf Arbeit und würdigen Wohnraum, die Bereiche Erziehung und Gesundheit oder die größere Autonomie der Provinzen bezogen.
Kontroverse Positionen gibt es zum Verhältnis zwischen privatem und staatlichem Sektor in der Wirtschaft und den Möglichkeiten zur Kontrolle eines im eingeschränkten Umfang zugelassenen »freien Marktes«. Erwartungsgemäß führt das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe, die künftig per Verfassung geschützt werden soll, zu heftigen Konflikten. Während Präsident Miguel Díaz-Canel sich mehrfach dafür ausgesprochen hatte, machen evangelikale Sekten aber auch katholische Geistliche Stimmung dagegen.
Während der Verfassungsentwurf in Kuba inhaltlich analysiert und teilweise kontrovers debattiert wurde, ging die von Washington finanzierte »Opposition« von Anfang an auf Konfrontationskurs dazu. Auf einer Veranstaltung in Miami bezeichneten Vertreter von »Dissidentenorganisationen« den gesamten Prozess als »illegitim«, berichtete das US-Propagandaportal Martí Noticias bereits am 26. Juli.
Auf die Diskussion in Kuba haben derartige Erklärungen keinen Einfluss. »Wir sind ein Volk, das den Kompass der Werte, die uns seit mehr al 50 Jahren leiten, nicht aus den Augen verliert«, fasste Díaz-Canel die bisherigen Ergebnisse zusammen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 29.11.2018