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Programm gekillt
Kuba zieht Ärzte ab.
Dank des Programms »Mais Médicos« erhielten auch Hunderttausende ärmere Brasilianer Zugang zu medizinischer Versorgung
Foto: Karina Zambrana /ASCOM/MS/fotospublicas.com
Kurz vor Amtsantritt von Jair Bolsonaro als Präsident Brasiliens am 1. Januar 2019 erleidet das dortige Gesundheitswesen einen schweren Rückschlag. Die im Rahmen des 2013 initiierten Programms »Mais Médicos« tätigen kubanischen Ärzte werden kurzfristig aus dem Land abgezogen. Das teilte Kubas Ministerium für Gesundheit am vergangenen Mittwoch mit. Vorausgegangen waren Provokationen des faschistischen Politikers. Bereits wenige Tage nach seinem Wahlsieg am 28. Oktober hatte Bolsonaro eine Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen zu dem Karibikstaat und die Qualifikation der kubanischen Ärzte mit abfälligen Formulierungen in Frage gestellt sowie eine Weiterführung des Programms an für Havanna unannehmbare Bedingungen geknüpft. Die ausländischen Fachkräfte müssten sich zu einer erneuten Überprüfung ihrer Befähigung bereit erklären, forderte er. Ärzte sollten ihre Familien mitbringen dürfen und – statt etwa einem Viertel davon – die vertraglich vereinbarte Summe komplett ausgezahlt bekommen, damit die »kubanische Diktatur« nichts davon habe. Spätestens da dürfte bei den Kubanern das große Packen begonnen haben.
»Ich bezweifle, dass selbst ihr euch von Kubanern behandeln lassen wollt«, ätzte Bolsonaro nach dem Beschluss aus Havanna gegenüber Journalisten. Man könne nicht einmal sicher sein, dass es sich bei diesen wirklich um Ärzte handele. Gleichzeitig bot er zur Abwanderung Willigen politisches Asyl an.
»Mais Médicos« war 2013 unter der Regierung von Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT ins Leben gerufen worden und wird über die Panamerikanische Gesundheitsorganisation abgewickelt. Vom elitären Ärztestand Brasiliens wurden die kubanischen Kollegen von Beginn an heftig angefeindet. Vor einem Einsatz müssen sie fachliche und sprachliche Tests bestehen. Kubanische Mediziner besetzen ausschließlich Stellen, für die sich weder einheimische noch Bewerber aus anderen Ländern finden ließen: in den Armenvierteln, in indigenen Gemeinden, im Hinterland. Mit 8.500 stellen Kubaner derzeit knapp die Hälfte der durch »Mais Médicos« Beschäftigten, sie arbeiten verteilt auf 2.885 Orte.
Das Gehalt der in Brasilien tätigen kubanischen Ärzte liegt bei etwa 3.000 Real (umgerechnet etwa 700 Euro). Das entspricht etwa dem Dreifachen des brasilianischen Mindestlohns. Untersuchungen des Statistikamtes IBGE zufolge liegt das Einkommen jedes zweiten Beschäftigten, vier von zehn arbeiten informell, noch darunter. Für Kuba ist der Export medizinischer Leistungen in Dutzende Länder eine wichtige Einnahmequelle, für die Ärmsten und in Katastrophenfällen erfolgt Hilfe ohne jede finanzielle Gegenleistung.
Veröffentlichung |
Peter Steiniger
junge Welt, 16.11.2018