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Täter zum Opfer gemacht
Contra-Gruppen solidarisieren sich mit Systemgegner in Kuba nach dessen Autoattacke auf Beamten.
Der Systemgegner José Daniel Ferrer sitzt in Santiago de Cuba in Untersuchungshaft, nachdem er bei einer Fahrt ohne Führerschein einen Beamten des Innenministeriums verletzt hatte und anschließend Fahrerflucht beging. Während derartige Vergehen in jedem Land der Welt als Straftaten gelten, werden sie im Fall Ferrers von kubafeindlichen Medien banalisiert. Die US-Regierung und Miamis rechte Contra-Gemeinde bauschen den Fall als Beleg für die Verfolgung politischer Gegner auf und haben mit Unterstützung von Amnesty International eine internationale Kampagne gestartet.
Wie aus einem Bericht der Staatsanwaltschaft vom 9. August hervorgeht, hatte der 48jährige Ferrer am Nachmittag des 3. August mit dem blauen Moskwitsch seines Freundes Ebert Hidalgo Cruz, der auf dem Beifahrersitz saß, nach eigener Darstellung »Autofahren geübt«. Obwohl Ferrer keine Fahrerlaubnis besitzt, nutzte er für seine »Übungen« die öffentliche Straße Calle A in der bei Santiago de Cuba gelegenen Ortschaft Palmarito de Cauto. Dabei erfasste das Auto Dainier Suárez Pagán, einen uniformierten Beamten des Innenministeriums, der gerade die Straße überquerte.
Das Opfer gibt an, dass das Fahrzeug, ohne abzubremsen auf ihn zufuhr. Er habe einen heftigen Schlag verspürt, der ihn von der Straße schleuderte, berichtet Suárez. Hämatome und Abschürfungen am rechten Unterarm und im Lendenbereich belegen den Sturz. Nach dem von ihm verursachten Aufprall sei Ferrer weitergefahren und habe erst angehalten, als das rechte Vorderrad seines Wagens durch eine Kollision mit dem Bürgersteig beschädigt wurde. Die beiden Autoinsassen hätten sich geweigert, ihn zur nächsten Polizeistation zu begleiten, gab Suárez Pagán zu Protokoll. Da gute Sicht herrschte und Daniel Ferrer nicht einmal versucht habe zu bremsen, beschuldigt er diesen, ihn absichtlich angefahren zu haben. Die beiden Insassen wurden später festgenommen.
Während Hidalgo nach einigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, blieb Ferrer bis heute in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft der Provinz Santiago de Cuba ermittelt unter anderem wegen versuchten Mordes gegen den mehrfach Vorbestraften.
Wie zu erwarten war, reagierten die exilkubanische Contra-Gemeinde in Miami, der staatliche US-Propagandasender Martí und Systemgegner in Kuba sofort mit Vorwürfen. Als Anführer der von den USA über die Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung (CANF) finanzierten »Oppositionsgruppe« Unión Patriótica de Cuba (UNPACU) gehört José Daniel Ferrer zu den prominentesten »Kronzeugen« gegen die kubanische Regierung. In einem TV-Streitgespräch mit dem in Miami lebenden Journalisten Edmundo García hatte er im vorigen Jahr die Finanzierung seiner Gruppe durch die CANF zugegeben und die Regierung Kubas zugleich mit der faschistischen Nazidiktatur in Deutschland gleichgesetzt.
Obwohl nicht bestritten wird, dass Ferrer am 3. August ohne Fahrerlaubnis ein Auto gelenkt, Suárez Pagán verletzt und sich danach vom Unfallort entfernt hatte, wird er als »Opfer der Diktatur« dargestellt. Dafür werden dubiose Zeugen, wie seine Lebensgefährtin Nelva Ortega bemüht. Die den rechten Exilkubanergruppen nahe stehende Tageszeitung Nuevo Herald zitierte Ortega am Montag mit der Aussage, sie habe gesehen, wie das Unfallopfer von alleine wieder aufgestanden sei. Die »Zeugin« unterstellt ihm deshalb, den Vorfall absichtlich provoziert zu haben. Beifahrer Hidalgo behauptet, dass das Auto den Beamten »nur leicht gestreift« habe. Augenzeugen, die dieser Version in Blogs widersprechen, werden nicht einmal erwähnt. Auch die in Berlin erscheinende Zeitung Tagesspiegel berichtete über den »Unfall«.
»Der Medienkreuzzug zur Anklage Kubas ist vorbereitet«, kommentierte der kubanische Journalist Arthur González am 11. August in seinem Blog »El Heraldo Cubano«. Im Chor fehlten jetzt nur noch einige europäische Parlamentarier und der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten. González kritisiert vor allem die Doppelmoral der US-Politik, »als ob die Behörden der USA bei vergleichbaren Delikten gegen Straftäter nicht genauso vorgehen wie jetzt die Autoritäten in Kuba.«
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 15.08.2018