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Differenzen überwinden
Erste Tagung von EU und Kuba auf Ministerebene.
In Anwesenheit des kubanischen Außenministers Bruno Rodríguez tritt am heutigen Dienstag in Brüssel zum ersten Mal der »Gemeinsame Rat EU-Kuba« zusammen. Die EU-Delegation wird geleitet von Federica Mogherini, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik. Zentrales Thema ist das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit (PDCA), das seit November 2017 nur vorläufig angewandt wird.
Auf der Tagesordnung stehen der Ausbau der bilateralen Beziehungen und die Vereinbarung von Kooperationsprogrammen unter anderem auf den Gebieten der Energieversorgung und der Landwirtschaft. Zudem sollen Möglichkeiten für verbesserte Handelsbeziehungen und europäische Investitionen in Kuba geprüft werden. Überdies will der Gemeinsame Rat über die Beziehungen zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) und die Zusammenarbeit in multilateralen Gremien bei Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung reden. Zum Abschluss wollen beide Seiten in der belgischen Hauptstadt eine Reihe konkreter Kooperationsvereinbarungen unterzeichnen.
»Die Bedingungen und Chancen für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen, des Handels, von Investitionen und Kooperationen sowie für eine effektivere Beteiligung der EU an den Plänen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Kuba sind derzeit sehr günstig«, berichtete die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina am Sonntag unter Berufung auf eine »Quelle im Europäischen Rat«.
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte bereits Anfang Januar bei einem Besuch in Kuba den zügigen Ausbau der Beziehungen zwischen Brüssel und Havanna angekündigt. »Manche wollen Kuba isolieren. Wir Europäer hingegen wollen zeigen, dass wir näher denn je bei euch sind«. Mogherini verurteilte die seit fast 60 Jahren bestehende Wirtschaftsblockade der USA gegenüber der Karibikinsel. Deren einzige Folge sei, dass sich die Lebensqualität der Kubaner verschlechtere. Havannas Außenminister Bruno Rodríguez gab sich zuversichtlich, dass »es mit gutem Willen und Respekt möglich ist, Fortschritte zu erzielen und Differenzen zu überwinden«.
Grundlage für das neue Kapitel in den Beziehungen zwischen der EU und Kuba ist das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit. Doch um rechtlich wirksam zu werden, muss der Vertrag noch von den Parlamenten aller 28 EU-Länder genehmigt werden. Dies sei jedoch nur eine Formfrage, bestätigen EU-Experten. Mehrere Staaten, darunter auch die BRD, haben das neue Partnerschaftsabkommen bereits ratifiziert. Durch die Vereinbarung wurde der »Gemeinsame Standpunkt der EU« abgelöst, der einen Systemwechsel in Kuba zur Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen gemacht und das Verhältnis 20 Jahre lang belastet hatte.
Das jetzige Rahmenabkommen konterkariert damit theoretisch auch die derzeitige Kubapolitik Washingtons. Die EU kann bislang jedoch nicht einmal ihr eigenes Recht durchsetzen. So hat etwa die US-Blockade Kubas für die EU – nach einer Verordnung des Europäischen Rates vom November 1996 – keine Gültigkeit. Doch obwohl diese Verordnung verbindlich ist, ohne dass die einzelnen Länder dazu noch nationale Gesetze erlassen müssen, wurde sie bisher nur in wenigen Einzelfällen angewendet. Die Blockade, die nach Auffassung der EU und der Bundesregierung »durch ihre extraterritoriale Anwendung das Völkerrecht verletzt«, ist damit nach wie vor eines der größten Hindernisse für die Verbesserung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Kuba.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 15.05.2018