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Argüellos Tod in Kuba

Gedenken an ermordeten Journalisten: 1958 wurde der Ecuadorianer von einem Batista-Schergen erschossen.

Carlos Bastidas Argüello an der Seite von Fidel Castro
Carlos Bastidas Argüello an der Seite von Fidel Castro in der Sierra Meastra. Undatierte Aufnahme
Foto: cubadebate


In Kuba kennen sogar diejenigen, die noch nie in der Hauptstadt waren, die Kreuzung Prado und Neptuno in der Altstadt von Havanna. Auch tanzbegeisterten Ausländern ist die Ecke durch den Cha-Cha-Cha »La Engañadora«, in dem der Musiker Enrique Jorrin 1948 ein junges Mädchen besang, das hier flanierte, ein Begriff. Nach der Plattenaufnahme im Jahr 1953 wurde das Lied, das mit der Zeile »A Prado y Neptuno« beginnt, sogar zum Welthit. Kaum jemand weiß jedoch, dass sich vor 60 Jahren genau hier der letzte Mord an einem Journalisten in Kuba ereignete. Dies ist ungewöhnlich für einen Kontinent, wo Verfolgung, Folter und Morde an Medienvertretern noch immer an der Tagesordnung sind.

Am 13. Mai 1958 wurde der Reporter Carlos Bastidas Argüello aus Ecuador in der Bar »Cachet« am Prachtboulevard Prado, zwischen den Seitenstraßen Virtudes und Neptuno von einem Agenten der Geheimpolizei des Diktators Fulgencio Batista erschossen. Er wurde nur 23 Jahre alt. Seine Sympathie mit der von Fidel Castro aufgebauten revolutionären »Bewegung des 26. Juli« hatte gereicht, dass man ihn auf die Todesliste setzte. Bastidas starb wenige Monate nach seiner Ankunft in Kuba, wo er sich sofort auf den Weg zu den Rebellen in den Bergen der Sierra Maestra gemacht hatte. Die Begegnung mit Gleichaltrigen, die tagtäglich ihr Leben aufs Spiel setzten, um ihr Land von der Diktatur und aus der Abhängigkeit der US-Großgrund- und Fabrikbesitzer zu befreien, veränderte den jungen Journalisten. Er interviewte Fidel Castro, Ernesto »Che« Guevara, andere Comandantes. Er berichtete über die Situation der Bauern und Tagelöhner und über deren vom Hunger oft ausgemergelte Kinder, auf die er im Osten Kubas traf. Wie sein argentinischer Kollege und Freund Jorge Ricardo Masetti schloss sich auch Bastidas den Kämpfenden an und beteiligte sich am Aufbau des seit Februar 1958 aus dem befreiten Gebiet sendenden »Radio Rebelde«. Am 14. Mai sollte Bastidas von Havanna in die USA reisen, um dort im Exil lebenden Gegnern der Diktatur Briefe und Dokumenten zu überbringen. Doch am Vorabend seiner Abreise entdeckte ihn ein Agent des berüchtigten »Servicio de Intelligencia Militar« (SIM), der gefürchteten Geheimpolizei des Diktators. Nachdem er Bastidas erst verprügelt hatte, zog der Polizist seinen Revolver und tötete den unbewaffneten jungen Reporter mit einem Kopfschuss. Die streng zensierte kubanische Presse berichtete mit keiner Zeile über den Vorfall. Auch die internationalen Medien nahmen von dem Journalistenmord am Prado keine Notiz.

Heute vergeht kaum ein Tag, an dem westliche Medien und Politiker dem sozialistischen Kuba nicht die Einschränkung der Pressefreiheit und der Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten vorwerfen. Sie unterschlagen dabei, dass dort in den fast 60 Jahren seit dem Sieg der Revolution kein einziger Medienvertreter für seine Tätigkeit mit dem Leben zahlen musste. »Warum wird die Geschichte von Carlos Bastidas verschwiegen«, fragte deshalb Edgar Ponce, der Botschafter Ecuadors in Havanna, vor drei Jahren auf einer Veranstaltung zu Ehren seines Landsmannes. »Weder die Interamerikanische Pressegesellschaft (Sociedad Interamericana de Prensa, SIP), noch die Organisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG) haben den Mord an ihm je verurteilt«, erklärte Ponce. Der chilenische Autor Ernesto Carmona von der Lateinamerikanischen Journalistenvereinigung »Felap« (Federación Latinoamericana de Periodistas) kritisierte, dass auch die Verfolgung, Folter und Morde Hunderter lateinamerikanischer Journalisten für beide Organisationen kein vorrangiges Thema sind. Wer deren Geschichte und Geldgeber kennt, ahnt den Grund dafür.

Die SIP, der Dachverband der privaten Medienbesitzer auf dem amerikanischen Kontinent mit Sitz in Miami, setzte sich nach dem Sturz des Diktators Batista für die Wiederherstellung der alten Machtverhältnisse und später für die Blockade der USA gegen Kuba ein. Präsident der »SIP-Kommission für Presse- und Informationsfreiheit« in Kuba war während der Diktatur der spätere CIA-Agent Oberst Jules Dubois. Im November 2012 wurde die kubanische Systemgegnerin Yoani Sánchez von den Medienzaren zur Vizepräsidentin derselben Kommission ernannt, die damals von dem CIA-Mann Dubois geleitet worden war. Solche Positionen trüben den Blick. In einem Interview mit dem französischen Journalisten Salim Lamrani sagte Sánchez im Jahr 2010 über Batistas Terrorherrschaft: »Das Regime war eine Diktatur, aber es gab eine pluralistische und offene Freiheit von Presse, Radio und allen politischen Richtungen.«

Auch die »Reporter ohne Grenzen« hängen am Tropf Washingtons. Die vorgebliche NGO wurde unter anderem mit großzügiger Unterstützung des aus dem Bundeshaushalt finanzierten US-Dienstes »National Endowment for Democracy« (NED) aufgebaut. Beide Organisationen bewerten die Arbeitsbedingungen für Journalisten in Honduras, Mexiko oder Kolumbien höher als die in Kuba, obwohl in diesen Ländern Jahr für Jahr Dutzende Medienmitarbeiter von Drogenbanden, der Armee, der Polizei und Todesschwadronen ermordet werden. Mit ihnen wird auch Carlos Bastidas Jahr für Jahr erneut getötet, indem die großen westlichen Medien das Andenken an sein Schicksal durch Verschweigen auszulöschen versuchen. Nur so müssen sie nicht eingestehen, dass Kuba für Journalisten das sicherste Land in ganz Lateinamerika ist.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 03.05.2018