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Wahlrecht für Anfänger
Schweigen in Berlin, Pöbeleien in Washington: Reaktionen auf den neuen kubanischen Präsidenten.
Bei der Pressekonferenz der Bundesregierung gab sich Ulrike Demmer, die stellvertretende Sprecherin des Kabinetts, am vergangenen Mittwoch zugeknöpft. Auf die Frage, ob Bundeskanzlerin Merkel dem neuen kubanischen Präsidenten gratulieren werde, antwortete sie nur: »Wir wollen den Ereignissen jetzt doch nicht vorgreifen...« Zwei Tage und einen Wahlgang später lässt sich festhalten: Ein Glückwunsch von Frau Merkel an den neuen kubanischen Präsidenten Miguel Dáz Canel ist bislang nicht bekanntgeworden, und auch Außenminister Heiko Maas hüllt sich in Schweigen. Selbst Spaniens Außenminister Alfonso Dastis wagte sich da weiter vor und twitterte am Donnerstag abend: »Heute beginn Kuba eine wichtige Veränderung, und wir haben Vertrauen darin, dass sich dieser eingeschlagene Weg in reale Verbesserungen für die kubanischen Bürger ausdrücken wird, mit denen uns so enge Bande vereinen.«
Die wütenden Tiraden überließ man in Westeuropa zunächst der US-Administration und ihren Vasallen. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, behauptete, dass der Bevölkerung Kubas nicht erlaubt worden sei, »eine aussagekräftige Entscheidung durch freie, faire und konkurrenzfähige Wahlen« zu treffen. Sie muss es ja wissen: Ihr eigener Chef, US-Präsident Donald Trump, erhielt bei seiner Wahl zum Staatschef weniger Stimmen als die konkurrierende Kandidatin.
Tatsächlich fanden in Kuba am 11. März Parlamentswahlen statt, an denen sich 85,65 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten. Von diesen votierten gut 80 Prozent im block für alle Kandidaten, während fast jeder fünfte eine Auswahl traf, also einzelnen Bewerbern die Zustimmung verweigerte. 4,3 Prozent gaben eine »Nullstimme« ab, enthielten sich also.
Erwartungsgemäß bekräftigte auch der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, seine Ablehnung der »Diktatur« in Kuba und revanchierte sich auf diese Weise für die Abfuhr, die ihm Havannas Delegation vor wenigen Tagen beim Amerikagipfel in Lima bereitet hatte. Die Machtübernahme sei ein Versuch, »ein autokratisches, dynastisches und familiäres Regime beizubehalten«. Die Regierung Díaz Canels bedeute »Jahrzehnte des Mangels an Demokratie und Verstöße gegen die Menschenrechte und fundamentale Freiheiten«, wird der Chef der in Lateinamerika aus als »US-Kolonialministerium« bekannten OAS von der Nachrichtenagentur AFP zitiert.
In der Region selbst wurde die Wahl Díaz Canels dagegen überwiegend positiv aufgenommen. Mexikos Präsident Enrique Peñwünschte seinem neuen Kollegen viel Erfolg bei seiner Amtsführung. Boliviens Staatspräsident Evo Morales twitterte ein Foto, das ihn zusammen mit dem »demokratisch gewählten Präsidenten des Staatsrates« zeigte. Díaz Canel sei »die Garantie für die Vertiefung des revolutionären Erbes des Comandante Fidel Castro, seines Bruders Raúl und des kubanischen Volkes«. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sandte ebenfalls Glückwünsche: »Wir werden weiter als Brudervölker für die Festigung des Großen Heimatlandes arbeiten und die sozialen Rechte unserer Völker garantieren.«
Veröffentlichung |
Santiago Baez
junge Welt, 21.04 2018