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Kooperation statt Isolation
EU-Außenbeauftragte Mogherini grenzt sich bei Kuba-Besuch von USA ab und setzt dafür auf Dialog mit dem sozialistischen Land.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat bei ihrem gestern beendeten zweitägigen Besuch in Kuba den Ausbau der Beziehungen zwischen Brüssel und Havanna angekündigt. Zum Auftakt hatte die europäische Chefdiplomatin am Mittwoch zunächst den unter Donald Trump eingeleiteten erneuten Kurswechsel der US-Regierung kritisiert. »Manche wollen Kuba isolieren. Wir Europäer wollen im Gegenteil zeigen, dass wir näher denn je bei euch sind«, sagte sie ohne die US-Regierung oder Trump namentlich zu erwähnen.
Mogherini verurteilte auch die seit fast 60 Jahren bestehende Wirtschaftsblockade Washingtons gegenüber der Karibikinsel. »Im Gegensatz zu jenen, die Mauern bauen und Türen schließen, wollen wir Europäer über Kooperation und Dialog Brücken bauen und Pforten öffnen«, erklärte sie. Die einzige Folge der Blockade bestehe darin, dass sich die Lebensqualität der Kubaner verschlechtere.
Im Anschluss an ihren Vortrag, den sie während eines Zusammentreffens mit Studenten, ausländischen Diplomaten und Vertretern des kubanischen Außenministeriums hielt, besuchte Mogherini ein Begegnungszentrum für Jugendliche in der Altstadt. Bei einem Gespräch mit dem Minister für Außenhandel und ausländische Investition, Rodrigo Malmierca Díaz, ging es dann um Möglichkeiten zum Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation.
Am gestrigen Donnerstag standen weitere Gespräche, unter anderem mit Außenminister Bruno Rodríguez und ein Höflichkeitsbesuch bei Parlamentspräsident Esteban Lazo auf Mogherinis Programm. Wie der Europäische Auswärtige Dienst in einer Presseerklärung mitteilte, ging es bei dem Gespräch mit Rodríguez vor allem darum, das erste Treffen des EU-Kuba-Rates auf Ministerebene vorzubereiten. Derartige Ratstreffen sollen künftig regelmäßig stattfinden. Bis zum jW-Redaktionsschluss war noch unklar, ob es auch zu einem erneuten Zusammentreffen mit Präsident Raúl Castro kommen würde. Der kubanische Staatschef hatte Mogherini zuletzt im März 2015 empfangen.
Grundlage für das neue Kapitel in den Beziehungen ist ein Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit, das nach zweijährigen Verhandlungen im November vergangenen Jahres zunächst vorläufig in Kraft getreten ist. Um rechtlich wirksam zu werden, muss der Vertrag noch von den Parlamenten aller 28 EU-Länder genehmigt werden. Dies sei jedoch nur eine Formfrage, bestätigen EU-Experten.
Mehrere Länder, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, haben das neue Partnerschaftsabkommen bereits ratifiziert. Mit dieser Vereinbarung wurde der »Gemeinsame Standpunkt der EU« abgelöst, der einen Systemwechsel in Kuba zur Voraussetzung für die Normalisierung der Beziehungen gemacht hatte und das Verhältnis 20 Jahre lang belastete. Das jetzige Rahmenabkommen konterkariert dagegen die Kubapolitik Washingtons.
Während unter US-Präsident Barack Obama nach Jahrzehnten der Konfrontation wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen und einige Sanktionen gelockert worden waren, drehte sein Nachfolger Donald Trump das Rad zurück. Seit November gilt eine Anordnung, die Reisen von US-Bürgern nach Kuba wieder einschränkt und es US-Firmen untersagt, mit Betrieben zu verhandeln, die zu einer Holding des kubanischen Verteidigungs- oder Innenministeriums gehören.
Wie erwartet worden war, sprach Mogherini während ihres Kuba-Aufenthaltes auch »unterschiedliche Positionen bei den Vorstellungen über Menschenrechte« an. Sie lobte dabei den begonnenen Dialog, der es ermöglicht habe, das Thema sowohl in Europa als auch in Kuba offen zu besprechen.
Während die EU Havanna vor allem Defizite bei politischen Menschenrechten wie Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit unterstellt, wollen die Kubaner die Verwirklichung von sozialen Menschenrechten stärker in den Vordergrund stellen. Dazu gehören unter anderem das Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Diskriminierung, die Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen Leben und die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. In diesen Punkten, unterstreicht Havanna, könnten die Europäer den Kubanern keine Lektionen erteilen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 05.01.2018