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Der Modernisierer von Santiago
Lázaro Expósito wird von den Einwohnern in Kubas zweitgrößter Metropole für seine anpackende Politik geschätzt.
Pastellfarben leuchten die Neubauten an der Kreuzung der Avenida Patria in Santiago de Cuba. Nur ein paar Hundert Meter entfernt vom Baseballstadion Guillermón Moncada hat die Stadtverwaltung ein paar schäbige Hütten abgeräumt und die Fläche mit rund einem Dutzend Wohnhäusern bebaut und komplett neu gestaltet. »26.7.« steht an einem der Gebäude, das Datum des Angriffs auf die Moncada-Kaserne 1953, die kaum zwei Kilometer entfernt liegt. Gebaut wurden die viergeschossigen Wohnhäuser mit jeweils acht bis sechzehn Wohnungen für Opfer des Hurrikans Sandy, der 2012 die Insel heimsuchte.
»Der hat allein in der Stadt rund 4000 Gebäude zerstört. Viele Familien landeten in Notunterkünften und warten noch immer auf neue Wohnungen. Aber das Gros ist bereits versorgt«, berichtet Juan Navarro Aldea und grinst optimistisch. »Dafür ist Lázaro Expósito verantwortlich. Der macht, statt zu zaudern«, lobt der schlaksige Mann.
Lázaro Expósito heißt der 1. Sekretär der Kommunistischen Partei von Santiago de Cuba. Schon in Bayamo, zwei Fahrtstunden von Santiago entfernt, hat er bewiesen, dass er in der Lage ist, zu reformieren, Strukturen zu verbessern und Innovationen in Gang zu bringen. Das ist ihm nun auch in Santiago de Cuba gelungen, und die Neubauten an der Avenida Patria sind dafür nur ein Beispiel. Der Boulevard Enramadas, eine zur Fußgängerzone ausgebaute Einkaufßtraße im Zentrum, ist bei den Einwohnern überaus beliebt.
Hier gibt es Erzeugnisse aus nationaler Produktion genauso wie Importware, und das Angebot deckt ein breites Spektrum ab. Folgerichtig ist selbst am Wochenende, wenn die meisten Geschäfte zu haben, Betrieb. Kleine Kioske bieten Getränke und Snacks an, einige staatliche Restaurants und zwei, drei private, die sogenannten Paladares, sind geöffnet, und viele Santiagueros schlendern ihren Boulevard runter bis zum Hafen. Dort ist eine alte Hafenfähre zum Restaurant umgebaut worden, und auch eine kleine Brauerei gibt es, die in einer alten Lagerhalle untergebracht ist und frisch gebrautes Bier verkauft. Obendrein haben die Verantwortlichen der Stadt eine Promenade mit kleinen Parks am Hafenbecken entlang errichtet, das Gegenstück zur berühmten Uferpromenade Havannas, dem Malecón. Für Juan A. Tejera, Stadthistoriker und Journalist aus Santiago de Cuba, eine überaus positive Entwicklung.
»Lange Jahre ist wenig in Santiago de Cuba gemacht worden, derzeit blüht die Stadt regelrecht auf, und davon hat auch die lokale Bevölkerung etwas«, so Tejera. Dabei geht es ihm nicht nur um die Aufwertung der Stadt aus touristischer Perspektive. »Nach dem Hurrikan hat man die gesamte Trinkwasserversorgung der Stadt modernisiert, das gesamte Leitungssystem erneuert, sodass ich heute Wasser aus der Leitung trinke, was ich früher nur selten gemacht habe.« Fortschritte, die den Alltag in Santiago genauso erleichtern wie der verbesserte Nahverkehr in der Stadt. »Mehr Busse und eine bessere Taktung«, bescheinigt Juan Navarro Aldea den Verantwortlichen.
Das sorgt dafür, dass die lokale Verwaltung mit Lázaro Expósito landesweit an Popularität gewonnen hat. Der Parteisekretär steht für eine funktionierende lokale Verwaltung, den Rückgang der Korruption und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Das können längst nicht alle Politiker in den 15 Provinzen Kubas vorweisen. »Zudem hat Expósito schon zum zweiten Mal für positive Schlagzeilen gesorgt, denn schließlich ist er dank seiner Erfolge in Bayamo nach Santiago gewechselt«, erklärt Javier Velásquez, der in Santiago aufgewachsen ist, aber als Psychologe in der Provinz Matanzas arbeitet.
Von dort verfolgt er, was im Osten der Insel so passiert, und Expósito ist immer mal wieder ein Thema. Das liegt vor allem daran, dass der 62-jährige Lehrer zu den erfolgreichen Parteifunktionären der Insel gehört, die für neue Impulse sorgen. Allerdings ist er durch die Ehe mit Nilsa Castro, Tochter von Staatschef Raúl Castro, auch nah dran an der politischen Führung der Insel. Ein Grund, weshalb Gerüchte in Havanna kursieren, dass Lázaro Expósito auch ein Kandidat für höhere Ämter sein könne. Das passt Santiagueros wie Juan Navarro Aldea allerdings ganz und gar nicht in den Kram. »Expósito ist unserer Mann und hier längst noch nicht fertig. In den ärmeren Stadtteilen muss investiert werden, und auch Arbeitsplätze sind hier immer noch knapp. Da brauchen wir Lösungen«, zeigt er Aufgaben für den amtierenden 1. Parteisekretär auf.
Der hat den in Bau befindlichen Tiefseehafen von Santiago de Cuba mit angeschoben. 2018 soll er eingeweiht werden und dem gesamten Osten der Insel neue ökonomische Optionen bringen. Ob die Rechnung aufgeht, muss sich allerdings erst noch zeigen, denn bei Mariel, dem anderen Tiefwasserhafen der Insel, zeigt sich, wie schwer es ist, einen Hafen erfolgreich zu betreiben und die dazugehörige Freihandelszone. Diese Hürden muss das Hafenprojekt in Santiago auch erst einmal nehmen - mit oder ohne den Modernisierer Lázaro Expósito.
Bert Bastians
Neues Deutschland, 19.12.2017