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Wort gehalten

Nach dem Hurrikan »Irma« versprach Kubas Regierung, niemanden im Stich zu lassen. Das wurde erfüllt.

Aufräumarbeiten nach dem Hurrikan »Irma«
In Kuba sind die Aufräumarbeiten nach dem Hurrikan »Irma« in vollem Gange
Foto: Fernando Medina / Cubahora



Während die Regierungen vieler Länder Kuba nach dem letzten Wirbelsturm mit Lebensmittel-, Sach- und Geldspenden unterstützen, verschärfte die US-Regierung ihre seit 55 Jahren bestehende Wirtschaftsblockade. Nur gut eine Woche, nachdem der Hurrikan »Irma« weite Teile der Insel verwüstet hatte, erklärte US-Präsidenten Donald Trump am 19. September in einer aggressiven Rede vor der UN-Generalversammlung: »Wir werden die Sanktionen gegenüber der kubanischen Regierung nicht aufheben, solange sie keine fundamentalen Reformen durchführt.« Havannas Außenminister Bruno Rodríguez konterte drei Tage später: »Wir klagen die Verschärfung der Blockade an, und wir versichern, dass jede Strategie, die darauf ausgerichtet ist, die Revolution zu zerstören, scheitern wird.«

Kurz darauf legte die Trump-Truppe nach. Der Gouverneur von Florida, Rick Scott, ein ehemaliger Unternehmer vom rechten Flügel der Republikaner, verlangt »noch härtere Sanktionen«. Er werde dafür sorgen, dass Firmen, die wirtschaftliche Beziehungen zur Regierung von Raúl Castro unterhalten, in seinem Bundesstaat keinerlei staatlichen Mittel mehr erhalten, erklärte Scott am Donnerstag. Eine Woche zuvor hatte die in Miami erscheinende Tageszeitung El Nuevo Herald US-Bürger bereits davor gewarnt, sich an Spendenaktionen für Hurrikanopfer in Kuba zu beteiligen. Die Blockade verbiete Überweisungen auf kubanische Konten. Jede Spende würde deshalb von US-Behörden beschlagnahmt.

Washington blockiert nicht nur die Beziehungen von US-Bürgern und US-Firmen zu Kuba. Im September wies die niederländische Bank ING-DiBa eine Spendenüberweisung auf das Konto der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba zurück. Dem in Holland lebenden Einzahler teilte die Bank mit, dass sie keine Transaktionen durchführe, die »einen direkten oder indirekten Bezug zu bestimmten Staaten«, darunter Kuba, hätten. Die ING-DiBa wollte damit offenbar weiteren Repressionen der US-Behörden vorbeugen, die gegen die Bank wegen Kuba-Transaktionen im Jahr 2012 eine Strafe in Höhe von 500 Millionen Euro verhängt hatte.

Trotz derartiger Behinderungsversuche haben verschiedene Kuba-Solidaritätsorganisationen in Deutschland innerhalb von weniger als einem Monat bereits mehr als 250.000 Euro für die Hurrikanhilfe in Kuba gesammelt. Die internationale Hilfsbereitschaft erinnert an Che Guevaras Satz von der Solidarität als Zärtlichkeit der Völker. (vh)

Einen Monat nach Durchzug des Hurrikans »Irma« konnten in Kuba große Teile der Infrastruktur wiederhergestellt werden. Die meisten Städte und Ortschaften haben Strom. Kraftwerke und Solaranlagen sind instand gesetzt, Wasserleitungen wurden repariert. Und das Wichtigste: Beschädigte Häuser werden schnell wieder bewohnbar gemacht, zerstörte an derselben oder anderer Stelle erneut aufgebaut.

»Als ich mitbekam, wie der Monstersturm große Teile unseres Landes verwüstete und unser Haus beschädigte, sagte ich zu meiner Frau Ledisley: Warte nur ab, das wird jetzt lange dauern«, erzählte Javier Vázquez Montes de Oca in der Küstenstadt Remedios einem Reporter der Tageszeitung Granma. Doch zu seinem Erstaunen habe Nitza Carvajal, die Abgeordnete des Stadtteils im Kommunalparlament, schon am nächsten Tag das Haus besichtigt. Dann sei eine Kommission des Wohnungsamtes erschienen, um die Schäden zu begutachten und kurz darauf habe er sich bereits das Material für die Reparatur des Daches besorgen können. »Hör gut zu«, sagte der Arbeiter dem Journalisten, »das gibt es nur hier und sonst nirgendwo«.

Küstennahe Städte wie Remedios oder die ebenfalls in der Provinz Villa Clara gelegene Ortschaft Caibarién gehörten zu den am härtesten von dem Wirbelsturm getroffenen Ortschaften. Doch wie in den ebenfalls verwüsteten Provinzen Matanzas, Camagüey, Sancti Spíritus und Ciego de Ávila begann der Wiederaufbau auch dort sofort. »Unsere Strategie bestand darin, für die Menschen so schnell wie möglich wieder einen Zustand der Normalität herzustellen«, erklärte der Abgeordnete Pedro González Orozco als Vorsitzender des örtlichen Verteidigungsrates. »Dabei gab es eine absolute Priorität für Haushalte, in denen kleine Kinder, ältere Menschen, Behinderte oder Kranke leben. Dadurch mussten einige zwar etwas warten, aber das hat hier jeder verstanden.«

»Irma« war am 8. September auf die Nordküste Kubas getroffen und bis zum 10. September mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 260 Kilometern pro Stunde von Ost nach West quer über das Land gezogen. Sturm und Starkregen hatten zehn Menschen in den Tod gerissen und schwerste Sachschäden verursacht. Von rund 159.000 beschädigten Wohnungen waren knapp 15.000 völlig und etwa 17.000 teilweise zerstört. Mehr als 23.500 Dächer wurden vollständig abgedeckt, weitere 104.000 Dächer teilweise beschädigt.

Die kubanische Regierung gewährte Betroffenen sofort einen 50prozentigen Zuschuss auf den Kauf von Reparaturmaterial, aber auch für Verbrauchsgüter wie Matratzen, Toiletten- und Körperpflegeartikel, Kochgeräte und Haushaltswäsche. Bürgern mit geringen Einkünften wird der Kaufpreis für eine Auswahl von Artikeln zu 100 Prozent erstattet. Anfang Oktober veröffentlichte das Ministerium für Preise und Finanzen eine Verordnung über zulässige Gebühren im Falle von Katastrophen. Um Spekulationen mit der Notlage von Bürgern auszuschließen, ist darin verbindlich geregelt, dass Sachspenden aus dem In- oder Ausland direkt an die betroffene Bevölkerung weitergeleitet werden und den Betroffenen dafür keinerlei Gebühren oder andere Kosten berechnet werden dürfen. Staatliche Verteilstellen und private Transporteure können die ihnen entstehenden Kosten jedoch gegenüber dem Staat geltend machen.


Eine erste Zwischenbilanz des Nationalen Verteidigungsrates belegt die Effizienz des kubanischen Systems bei der Beseitigung von Sturmschäden. Bereits Ende September war die Stromversorgung in weit über 90 Prozent des Landes komplett wieder hergestellt, letzte Beeinträchtigungen in den Provinzen Villa Clara, Camagüey, Sancti Spíritus und Ciego de ávila wurden in den letzten Tagen mit Hochdruck beseitigt. Von 980 beschädigten Gesundheitseinrichtungen konnten zwar erst knapp 300 repariert werden, doch ist es gelungen, der Bevölkerung trotzdem weiter alle medizinischen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Bis jetzt sei der epidemiologische Zustand des Landes stabil, melden die Gesundheitsämter. Die Wasserversorgung ist zu 99 Prozent wieder gewährleistet, nur in zwei Provinzen müssen noch rund 6.000 Personen mit Tankwagen versorgt werden. Einige Einschränkungen gibt es auch noch bei den Telefon- und Datenverbindungen, von denen allerdings auch bereits gut 95 Prozent repariert sind.

Vor weiterhin außerordentlich großen Herausforderungen steht jedoch die Landwirtschaft. Mehr als 95.000 Hektar verschiedener Anbaukulturen sowie 338.000 Hektar Zuckerrohrplantagen wurden von »Irma« schwer geschädigt. Tausende Bananenstauden sind umgeknickt, Bäume mit Zitrusfrüchten entwurzelt, fast 500 Hühnerfarmen beschädigt. Experten schätzen die materiellen Schäden, unter denen Kuba noch lange Zeit leiden wird, auf Hunderte Millionen Euro. Um der Bevölkerung in absehbarer Zeit zumindest einige landwirtschaftliche Produkten anbieten zu können, begannen staatliche Betriebe und Kooperativen deshalb jetzt mit der vorzeitigen Aussaat von Gemüse und anderen Kulturen mit kurzem Wachstumszyklus.

Etwas besser sind die Prognosen für den Tourismus, der einer der wichtigsten Einnahmequellen ist. Da die meisten touristischen Einrichtungen aus jüngerer Zeit stammen und viele Gebäude eine solide, nahezu hurrikansichere Betonstruktur besitzen, gab sich Tourismusminister Manuel Marrero Cruz bei einem Treffen mit 160 Reiseveranstaltern in Varadero zuversichtlich, dass alle Einrichtungen zu Beginn der Hochsaison im November wieder betriebsbereit seien. Die Verbindungsdämme zu den Zentren Cayo Santa Maria und Cayo Coco seien bereits wieder befahrbar. Spezialisten des Ministeriums für Wissenschaft, Technik und Umwelt haben zudem damit begonnen, die Auswirkungen des Wirbelsturms auf die Umwelt und die Schäden am Ökosystem zu analysieren. Das Versprechen des kubanischen Präsidenten Raúl Castro, die Revolution werde niemanden schutzlos lassen und keine kubanische Familie ihrem Schicksal überlassen, erwies sich als verlässliche Zusage.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 07.10.2017