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Nachrichten aus und über Kuba

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Polemik und Häme

Hurrikan »Irma«: ARD gibt in Berichterstattung über Kuba Ideologie statt Fakten den Vorrang.

Auf Kritik in den sogenannten sozialen Medien an ihrer einseitigen Berichterstattung über Hurrikan »Irma« reagierten große bürgerliche Medien mit Häme. Während sie tagelang detailliert über die Route des zuletzt auf die niedrigste Kategorie eins herabgestuften Sturms in den USA informierten, wurde Kuba anfangs – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt. Dort war der Wirbelsturm jedoch mit Windgeschwindigkeiten von 260 Kilometern pro Stunde zwei Tage lang quer über das Land gefegt. Zum ersten Mal seit 1932 hatte ein Sturm der höchsten Kategorie fünf die sozialistische Insel getroffen, zehn Menschen in den Tod gerissen und schwerste Sachschäden verursacht. Nach Durchzug des Hurrikans machten sich im armen Kuba sofort staatliche Instandsetzungstrupps an die Beseitigung der Schäden, während im reichsten Land der Welt Chaos und Plünderungen vorherrschten.

Das und die Beschwerden verärgerter Zuschauer konnte auch das ARD-Flaggschiff »Tagesschau« nicht ignorieren. Am Dienstag veröffentlichte ihr Onlineportal einen Beitrag mit dem Titel »Aufräumen im sturmerprobten Sozialismus«. Doch wer auf sachliche Informationen hoffte, wurde abermals enttäuscht. Die ARD genierte sich nicht, eine Naturkatastrophe, auf die Regierungen und Organisationen in aller Welt mit Solidaritätsaufrufen reagierten, für die unterschwellige Agitation gegen das sozialistische Kuba auszuschlachten. Korrespondentin Anne-Katrin Mellmann beschrieb die Situation »in einem Land wie Kuba«, wie sie wörtlich formulierte, wobei sie die bekannten staatlichen Wiederaufbauprogramme nach Hurrikans wohlweislich ignorierte: »Niemand ist versichert, Baumaterial ist Mangelware und der kommunistische Staat hat kaum Geld. Seit Jahrzehnten ist die Bausubstanz marode. Schon bei Sonnenschein fallen Gebäude in sich zusammen.« Auf so viel Häme muss man nach den verheerenden Zerstörungen in Kuba und der Karibik erst einmal kommen.

Auch eine von zahlreichen lateinamerikanischen Medien im Wortlaut verbreitete Erklärung des kubanischen Präsidenten musste für subtile Polemik herhalten. »Noch bevor die touristische Hauptsaison beginnt, solle alles wiederhergestellt sein, schreibt Staatschef Raúl Castro in einem Brief an das leidgeprüfte Volk und lässt ihn im Staatsfernsehen verlesen«, fabulierte Mellmann. Ein unter Journalistenmorden, verschwundenen Oppositionellen und dem täglichen Terror von mit Polizei, Armee, Justiz und Politik verbandelten Drogenkartellen leidendes Volk könnte die Korrespondentin in Mexiko, nicht aber in Kuba finden. Und natürlich weiß die Reporterin des dortigen des ARD-Studios von ihren gelegentlichen Arbeitseinsätzen in Kuba auch, dass dort Journalisten über das Fernsehprogramm entscheiden. Angesichts der Dauerberieselung deutscher Fernsehzuschauer mit nichtssagenden Verlautbarungen der Spitzenkandidaten der bestehenden großen Koalition wirkt ihre Unterstellung obendrein geradezu lächerlich. Doch auch unter anderem die Welt machte am Montag »staatliche Zensur« dafür verantwortlich, weshalb das Blatt nicht über Kuba so ausführlich berichtet habe. Es habe schlicht kaum Bilder aus dem Land gegeben.

Den Vorwurf der Zensur müssen sich zudem nicht kubanische Medien, sondern die »Tagesschau« gefallen lassen. Obwohl sie Raúl Castro zitierte, fiel sein wichtigster Satz den Erwartungen der ARD-Anstaltsleitung, der Selbstzensur ihrer Korrespondentin oder beidem zum Opfer. Der kubanische Präsident hatte versichert: »Ein Prinzip bleibt unverändert: Die Revolution wird niemanden schutzlos lassen, und es werden bereits Maßnahmen ergriffen, damit keine kubanische Familie ihrem Schicksal überlassen bleibt.« Eine derartige Zusage vom Staats- und Regierungschef gibt es nur in dem seit 55 Jahren unter der US-Blockade leidenden Kuba. Ginge es nach der ARD und anderen großen Medien würde das aber niemand jemals erfahren.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.09.2017