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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Kampagne ohne Anlass

Ende August wärmten Medien in Europa und den USA eine alte Geschichte über »Schallattacken« in Havanna auf.

Zahlreiche europäische Medien machten Ende August ohne erkennbaren Anlass eine mehr als zwei Wochen alte Nachricht über rätselhafte Krankheitssymptome bei US-Diplomaten in Havanna zur Schlagzeile. Bereits am 9. August hatte die Sprecherin des State Department, Heather Nauert, über Beschwerden des Botschaftspersonals berichtet und bestätigt, dass sowohl kubanische als auch US-Behörden einschließlich des FBI an der Aufklärung arbeiteten. Mit Hinweis auf die noch laufenden Untersuchungen vermied sie jede Schuldzuweisung an die kubanische Regierung.

Das übernahmen 14 Tage später und nahezu zeitgleich große Medienunternehmen in Europa und den USA. Zwar vermerkten Blätter wie die Neue Zürcher Zeitung am 23. August oder der österreichische Standard zwei Tage später, daß die Unterstellungen eines »nicht hörbaren akustischen Angriffs« wenig glaubwürdig seien – doch im Gedächtnis bleiben die Schlagzeilen: »Angriff aufs Ohr« (NZZ) bzw. »Mysteriöse Schallattacken auf Diplomaten« (Standard). Die »Tagesschau« der ARD plazierte am 26. August einen Artikel mit der Überschrift »Krank durch Schallwaffen?« auf ihrem Onlineportal. Parallel schlug Bild zu und titelte: »Steckt Kubas Stasi hinter rätselhaften Schallattacken?«.

Nach journalistischen Kriterien ist es kaum nachvollziehbar, warum profeßionelle Medien den vagen Spekulationen über mögliche Ursachen für die Erkrankung einiger Diplomaten einen höheren Stellenwert einräumen als anderen Nachrichten aus der Region, so als ob es zu diesem Zeitpunkt keine ermordeten Journalisten (Mexiko), keinen »verschwundenen« Menschenrechtsaktivisten (Argentinien) und keine Ermittlungen gegen einen korrupten Präsidenten (Guatemala) gegeben hätte.

Das Aufwärmen der alten Nachricht war nicht auf Europa beschränkt. Weltweit gab es zum gleichen Zeitpunkt verblüffend ähnliche Schlagzeilen. Es wirkte wie der Vollzug einer Mahnung der einflussreichen Washington Post, deren Herausgeber am 24. August in einem Leitartikel an Journalisten, Politiker und Öffentlichkeit appelliert hatten: »Spielt den finsteren Angriff auf Diplomaten in Kuba nicht herunter.«

In Kuba reagierten Medienprofis mit Kopfschütteln auf die Kampagne. Normalerweise lohne es nicht, seine Zeit für eine Auseinandersetzung mit den nur auf Spekulationen basierenden Veröffentlichungen zu verschwenden, schrieb der kubanische Journalist Arthur González am 28. August in seinem Blog El Heraldo Cubano. Doch offenbar werde die Kampagne von einflussreichen Mitgliedern der Trump-Administration befeuert. González verwies auf ein Interview von Vizepräsident Michael Pence im spanischsprachigen US-Fernsehkanal Telemundo 51. Gegenüber dem in Miami ansässigen Sender hatte Trumps Stellvertreter am 23. August versichert, dass die Regierung »die Möglichkeit einer akustischen Attacke sehr ernst« nehme. Einen Tag später meldete die Nachrichtenagentur AP unter Bezugnahme auf die US-Regierung, dass mindestens 16 Angehörige der Botschaft in Havanna bereits seit Ende 2016 über Gesundheitsstörungen geklagt hätten. Auch ein Mitarbeiter der kanadischen Botschaft sei betroffen. Über mögliche Ursachen gab es weiterhin keine Erkenntnisse.

Der in Kuba lebende guatemaltekische Journalist Percy Francisco Alvarado Godoy hält es für möglich, dass ultrarechte Kreise in den USA hinter der Kampagne und möglicherweise auch hinter den rätselhaften Vorfällen stecken. Schallwaffen, die gesundheitliche Schäden verursachen können, werden vor allem von Firmen in den USA produziert. Solche Waffen sind akustisch allerdings wahrnehmbar und wurden bisher von der US-Armee im Irak-Krieg und von der Polizei bei den Anti-G-20-Demonstrationen 2009 in Pittsburgh eingesetzt.

Ziel der Kampagne dürfte nach Einschätzung von Alvarado Godoy vor allem die Beeinflussung der US-Öffentlichkeit sein. Dort unterstützt eine Mehrheit noch immer den unter Obama begonnenen Kurs auf Annäherung zwischen Washington und Havanna.

In einigen Wochen wird die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum 26. Mal über die von Kuba eingebrachte Resolution zur Beendigung der US-Blockade abstimmen. Im Oktober 2016 war diese Entschließung erstmals ohne die Gegenstimmen der USA und Israels von allen anderen UN-Mitgliedsländern angenommen worden. Nun soll die »Diplomaten-Affäre« offenbar dazu beitragen, die öffentliche Meinung wieder umzudrehen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 07.09.2017