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Raúl Castro blickt nach vorn

Kubas Präsident warnt USA vor Rückschritt in den Beziehungen zwischen beiden Staaten.

Anders als sein Bruder Fidel hält Kubas Präsident Raúl Castro selten Ansprachen. Wenn, dann aber ist ihm alle Aufmerksamkeit sicher. In seiner Rede zum Abschluss der Sitzungswoche der Kubanischen Nationalversammlung kommentierte Castro erstmals öffentlich den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Schwenk in der US-Kuba-Politik. Kubas Regierungschef kritisierte die »Verschärfung der Blockade« und die Rückkehr zu einem »Diskurs konfrontativer Vergangenheit«, deren »vollständiges Scheitern« die Vergangenheit gezeigt habe.

Trump hatte Mitte Juni mit harscher Rhetorik die Annäherungspolitik seines Vorgängers Barack Obama kritisiert und die Regierung in Havanna heftig angegriffen. Die angekündigten Maßnahmen betreffen zwar größtenteils »nur« zuvor gelockerte Reise- und Handelsbeschränkungen und Geschäfte mit dem kubanischen Militär; aber unter Trump ist der Ton deutlich rauer geworden.

Castro warnte den US-Präsidenten, dass dessen Strategie keinen Erfolg haben werde. »Jegliche Strategie zur Zerstörung der Revolution wird scheitern«, erklärte Castro im Brustton der Überzeugung. »Auf die gleiche Weise weisen wir die Manipulation des Themas der Menschenrechte zurück; Kuba kann stolz auf viele seiner Errungenschaften sein und benötigt keine Lektionen durch die USA oder sonst jemanden.«

Trumps Zeichen sind uneindeutig. Am selben Abend wurde bekannt, dass die US-Regierung wie ihre Vorgänger eine Klausel des Helms-Burton-Gesetzes für weitere sechs Monate aussetzt. Die Klausel würde es US-Bürger und US-Unternehmen vor USA-Gerichten erlauben, gegen Unternehmen, die in Kuba mit enteigneten US-amerikanischen Produktionsmitteln wirtschaften, Schadenersatzklagen einzureichen. Das Helms-Burton-Gesetz war 1996 als Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba erlassen worden; die besagte Klausel seitdem aber von allen US-Präsidenten immer wieder in Sechs-Monats-Schritten suspendiert worden. Die Suspendierung auch unter Trump ist ein weiteres Zeichen, dass dieser die Annäherung an Kuba nicht komplett rückgängig macht und auf Konfrontation setzt.

Auch Raúl Castro Ansprache war keine rhetorische Eskalation, sondern versuchte vielmehr, die unter Obama erzielten Fortschritte zu bewahren. So ließ er die Tür für Dialog und Zusammenarbeit in »bilateralen Angelegenheiten« offen, forderte aber Respekt für die Souveränität und Unabhängigkeit Kubas. Man werde keine Prinzipien zur Verhandlung stellen. Die Nationalversammlung, die in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause traditionell zahlreiche Themen abarbeitet und Bilanz zieht, verabschiedete verschiedene Gesetze, darunter jenes zum Schutz der Binnengewässer. Die Karibikinsel leidet seit einigen Jahren unter anhaltender Dürre, von der vor allem der Osten und das Zentrum des Landes betroffen sind.

Verabschiedet wurden zudem ein neues Sozialismus-Konzept sowie die »Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik 2016 bis 2021«, die die Regierungsagenda für die kommenden Jahre festlegen. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur soll fortgeführt werden.

Positive Zahlen vermeldete Wirtschaftsminister Ricardo Cabrisas. Demnach konnte Kubas Wirtschaft im ersten Halbjahr 1,1 Prozent zulegen. Im vergangenen Jahr war das Land erstmals seit den Jahren der Spezialperiode Anfang der 1990er Jahre in eine Rezession gerutscht. Raúl Castro sprach nun von einem »diskreten Ergebnis, das Mut mache«. Für das laufende Jahr erwartet die kubanische Regierung ein Wachstum von zwei Prozent. Castro aber warnte in seiner Rede vor »anhaltenden finanziellen Spannungen und Herausforderungen, die die nationale Ökonomie beeinträchtigen könnten«. Er verwies auf mögliche Engpässe bei den Öllieferungen aus Venezuela.

Einen wichtigen Teil von seiner Rede nahmen nicht-landwirtschaftliche Kooperativen und die Privatwirtschaft ein - auf Kuba als »Arbeit auf eigene Rechnung« bezeichnet. Deren Entwicklung solle weitergehen; Gesetzesverstöße und andere Illegalitäten aber würden stärker bekämpft. Castro sagte, der Ministerrat habe neue Maßnahmen zur Regulierung des Privatsektors beschlossen, die in nächster Zeit veröffentlicht werden. Dies könnte neue Abgaben beinhalten. Denn: Der Privatsektor soll zwar weiter ausgebaut werden, »die Konzentration von Eigentum und materieller und finanzieller Reichtum wird nicht erlaubt werden«, sagte Vizepräsident Marino Murillo, der, obwohl nicht mehr Wirtschaftsminister als »Zar der kubanischen Wirtschafts- und Sozialreformen« gilt. Das Thema Privateigentum ist eines der umstrittensten Themen innerhalb von Partei und Gesellschaft. »Wo es Privateigentum gibt, gibt es einen bestimmten Grad an Konzentration«, so Murillo weiter. »Wir müssen präzisieren, was wir unter Konzentration von Reichtum verstehen. Danach müssen wir unser Steuersystem evaluieren, um die Abgabenpolitik anzupassen, die uns eine adäquate Verteilung der Einnahmen erlaubt.«

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch
Neues Deutschland, 20.07.2017