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Dritter Weg der Konterrevolution
Westliche Geheimdienste tarnen Umsturzpläne in Kuba mit sozialdemokratischen Flausen.
Kubanische Journalisten und Intellektuelle warnen vor Propagandisten eines »dritten Weges« für ihr Land. In mehreren Artikeln bezeichneten namhafte Autoren in der vergangenen Woche die Forderung nach einer Synthese aus Kapitalismus und Sozialismus als »Plan B« für einen Regime-Change. Der Publizist und Universitätsprofessor Raúl Antonio Capote analysierte in dem Blog »Razones de Cuba« wie bereits zuvor in der Parteizeitung Granma die aktuellen Nachfolgeprogramme des berüchtigten CIA-Projektes »Genesis«, das den Sturz der Kubanischen Revolution zum Ziel hatte.
Zu den Methoden gehört laut Capote die Beschäftigung von angesehenen kubanischen Journalisten, Künstlern und Intellektuellen, die sich nicht offen zur Konterrevolution bekennen. Anders als in früheren Schulungsprogrammen der US-Interessenvertretung für »unabhängige Journalisten« in Kuba, würden diese jetzt nicht mehr dazu animiert, sich gegen die Regierung oder den Sozialismus zu positionieren. Statt dessen sollten sie auf die »Modernisierung des Systems«, »offene Debatten« und »mehr Ausgewogenheit in den Medien« drängen. Zur Förderung derartiger Positionen sei ein dichtes Netz aus neuen medialen Plattformen wie Internetportalen und von ausländischen Organisationen, Regierungen oder Medienunternehmen finanzierten Zeitschriften geschaffen worden. »Die Tarnung der wahren Absichten hinter einer scheinbar kritischen Haltung und hinter der Meinungsfreiheit ist eine der neu angewandten Taktiken«, schreibt Capote.
Angelockt würden die »Söldner der Feder und des Wortes«, wie der Autor die oft unbewussten Helfer westlicher Regierungen und Geheimdienste nennt, durch Einladungen zu Auslandsreisen und eine »viel höhere Bezahlung als in unseren Medien möglich«. Dabei werde die Nähe zu Vertretern der erfolglosen Dissidentenszene sorgfältig vermieden, um jeden Verdacht konterrevolutionärer Aktivitäten zu entkräften. Zielscheibe der Kampagnen, berichtet Raúl Capote, seien junge Funktionäre der Kommunistischen Partei, des Studenten-, Frauen- und Jugendverbandes, Künstler, Wissenschaftler und Journalisten. Als Ergebnis gäbe es sogar »Leute, die in der Lage sind, heute in der revolutionären Presse, in Granma, Juventud Rebelde und anderen Publikationen zu schreiben und am nächsten Tag in feindlichen Medien«.
Solche Analysen stammen von jemandem, der Methoden und Strategien der Geheimdienste bestens kennt. Raúl Capote hatte sich im Jahr 2004 im Auftrag der kubanischen Staatssicherheit von der CIA anwerben lassen und agierte bis 2011 als deren Agent in Kuba. Er schildert ein Treffen am 24. Mai 2004 in der Residenz eines US-Diplomaten in Havanna, an dem neben CIA-Ausbildern auch Mitarbeiter der Botschaften »befreundeter Länder« teilgenommen hatten.
Schon damals habe ein CIA-Vertreter erklärt, dass der »Krieg gegen die historische Generation der Revolution« verloren sei und man »für die Zeit nach Fidel und Raúl Castro« auf Partner wie Capote setze. Die damalige Pressechefin der US-Vertretung, Kelly Keiderling, habe mit ihm ein Konzept für »Gesprächsrunden über kubanische Gegenwartsprobleme« entwickelt. Dabei sollte der Sozialismus nicht offen in Frage gestellt werden. Vorgeblich ging es nur um den »Austausch von Ideen« für Reformen der Medien, des Parteien- und Wahlsystems sowie der Verfassung.
Im Jahr 2007 stellte die CIA ihr Projekt »Genesis« vor. Dessen Ziel bestand in der Rekrutierung von Kubanern, die das sozialistische Gesellschaftssystem nicht komplett zerstören, sondern es nach sozialdemokratischen Konzepten aus Europa und Lateinamerika in ein »Modell für den dritten Weg« transformieren sollten. Nachdem US-Präsident Donald Trump mit seinen altbekannten Contra-Helfern wieder auf die offene Konfrontation setze und das CIA-Projekt »Genesis« längst offiziell beerdigt worden sei, werde dessen Konzept heute von europäischen und US-Geheimdiensten als »Plan B« weiterverfolgt.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 30.06.2017