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Säbelrasseln in der Karibik
Vor der Küste Venezuelas hält US-Militär mit Verbündeten ein Manöver ab. Caracas und Moskau kritisieren das Vorgehen scharf.
In der Karibik beginnt am heutigen Dienstag der zweite Teil des multinationalen Militärmanövers »Tradewinds 2017«. Unter dem Oberbefehl des Südkommandos der US-Streitkräfte Southcom sind daran mehr als 2.500 Militärangehörige aus 15 Staaten der Region sowie den NATO-Ländern Kanada, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien beteiligt. Nach Aussagen des Southcom-Befehlshabers, Kurt W. Tidd, besteht die Hauptaufgabe der Übung darin, »die Sicherheit in der Region zu garantieren«. Als weitere Ziele nannte er neben dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Terrorismus auch die »Vorbereitung auf humanitäre Hilfseinsätze«. Das in Florida stationierte Südkommando ist zuständig für die Koordination und Führung aller militärischen Operationen der USA in Lateinamerika und der Karibik.
In der Region werden die derzeitigen Militäraktionen aus einer Reihe von Gründen vor allem als auf die Regierung Venezuelas zielendes Säbelrasseln gesehen. So starten die unter US-Kommando stehenden Truppen, nachdem die erste Phase der Manöver in der vergangenen Woche noch von einem Stützpunkt auf Barbados aus durchgeführt worden war, von heute an aus dem nur 30 Kilometer vor der venezolanischen Küste gelegen Marinehafen Chaguaramas auf der Karibikinsel Trinidad. Die Truppenkonzentration wirkt, nach einem entlarvenden Auftritt des Southcom-Oberbefehlshabers vor dem US-Senat, wie eine Generalprobe.
Erst vor wenigen Wochen hatte Tidd die gewählte venezolanische Regierung des Präsidenten Nicolás Maduro als »destabilisierendes Element« in der Region bezeichnet und die Möglichkeit einer Invasion angekündigt. Wörtlich erklärte der Kommandeur am 6. April in einem Bericht vor dem Streitkräftekomitee: »Venezuela ist im kommenden Jahr mit einer signifikanten Instabilität konfrontiert. … Die wachsende humanitäre Krise in Venezuela könnte eventuell eine regionale Antwort erforderlich machen.«
Verteidigungs- und Außenministerium in Caracas warfen Washington die »Gefährdung des Friedens« in der Region aus »Gier nach unseren Rohstoffen« vor. Auch international schlugen die Drohungen des US-Admirals Wellen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, wies Tidd für seine Äußerungen scharf in die Schranken: »Wir sehen sie als eine Ermutigung für radikale Kräfte, eine Atmosphäre der Instabilität zu schaffen und die gewaltsame Konfrontation zu verstärken.«
Doch ungeachtet aller Proteste werden von den USA und ihren Verbündeten weiter Interventionspläne gegen Venezuela geschmiedet. Im Mai erinnerte die Zeitung New York Times an einen UN-Beschluss aus dem Jahr 2005. Dort geht es um die Schutzverantwortung der »internationalen Gemeinschaft« für den Fall, dass eine nationale Regierung die Bevölkerung nicht mehr vor »Gräueln und Verbrechen gegen die Menschheit« schützen kann. Einziges Beispiel für einen auf diesen Beschluss gestützten Einsatz ist bisher der Sturz der Regierung Libyens und die Ermordung Muammar Al-Ghaddafis durch eine US-geführte Kriegsallianz im Jahr 2011.
Ermuntert von deren Ausschreitungen und dem derzeitigen Militärmanöver unter der Leitung des US-Südkommandos wittert die gesamte Rechte des Kontinents Morgenluft und denkt längst über den Sturz der gewählten Regierung Venezuelas hinaus. »Wenn Maduros Regime endlich fällt, findet die nächste Schlacht in Kuba statt«, kündigte der rechte, ehemalige bolivianische Verteidigungsminister, Carlos Sánchez Berzain am Sonnabend in einem Artikel für den Nuevo Herald, Sprachrohr antikommunistischer Exilkubaner in Miami, an. Das Blatt verschwieg dabei, dass gegen den Autor, der in den USA nach dem Amtsantritt des linken Präsidenten Evo Morales politisches Asyl genießt, vor dem obersten Gerichtshof Boliviens seit 2005 ein Verfahren wegen Völkermord, Verfassungsbruch und Unterschlagung anhängig ist. Die US-Behörden verweigern jedoch seine Auslieferung an die bolivianischen Gerichte.
In der vergangenen Woche übte Bolivien heftige Kritik an einer für Ende November geplanten Militärübung im Amazonasgebiet, an der auf Einladung des brasilianischen Putsch-Präsidenten Michel Temer erstmals auch US-Truppen teilnehmen sollen. Beobachter befürchten, dass diese Manöver nur den Vorwand für die Einrichtung eines Stützpunktes unter US-Kommando im Amazonas-Regenwald liefern sollen. Dessen Gebiet erstreckt sich unter anderem auch über Teile von Ländern mit linken Regierungen, wie Bolivien, Ecuador und Venezuela. Nach dem Manöver »Tradewinds 2017« vor der Nordküste würde damit eine Verstärkung der US-Militärpräsenz im Süden Venezuelas erfolgen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 13.06.2017