Nachrichten aus und über Kuba
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Erfolg gegen Tigermücken
Kuba: Reservisten bekämpfen Überträger von Zika und Dengue.
Die weiße Wolke wabert über die Dächer der 52. Straße in Cienfuegos. Nur auf der Dachterrasse der Casa Particular von Jsés Yhanet ist man vor den Insektiziden sicher. »Einmal die Woche kommen die Reservisten und räuchern alle Räume aus«, erklärt der Hausbesitzer schulterzuckend. Für den Rentner, der zwei Zimmer seines Hauses an Touristen vermietet, gehören die Sprühteams zum Alltag. »Kampagnen wie diese hat es früher auch schon gegeben - gegen das Dengue-Fieber vor allem. Nun ist das Ziel, dafür zu sorgen, dass das Zika-Virus in Kuba nicht Fuß fasst. Das hat derzeit für die Regierung Priorität«, erklärt Yhanet.
Dafür wurden 9000 Reservisten der Armee (FAR), mehrere Dutzend Experten und rund 200 Polizisten mobilisiert. Deren Aufgabe ist es, mit den knatternden Zerstäubern die Mückenpopulation auszuräuchern. Dafür wirbt die Regierung in Spots, per Flugblatt, die in den Wohnvierteln an Wände geklebt werden und wo auch die Termine für die Sprühaktionen aufgeführt sind, und bei Hausbesuchen. Keine Teller, Dosen oder alte Autoreifen draußen liegen lassen, wo sich Wasser sammeln kann und wo die Mücken ihre Eier legen können, lautet der Appell. Die FAR-Reservisten haben ihre regelmäßigen Strecken, sind nach drei Monaten im Einsatz routiniert und wissen, worauf es ankommt. Das war am Anfang nicht so, kritisierte Staatschef Raúl Castro Anfang März. Damals forderte er, dafür zu sorgen, dass wilde Müllkippen landesweit verschwinden. Zugleich appellierte Kubas Staatschef an die Behörden und die Bevölkerung, ihre Arbeit zu intensivieren, um »die Präsenz des Überträgers zu reduzieren, ... der neben Zika- auch Dengue- und Chikungunya-Viren überträgt«.
Das scheint zu funktionieren, denn bis Ende April waren laut dem Gesundheitsministerium in Havanna nur elf Infektionsfälle registriert worden, von denen zehn eingeschleppt wurden. Alle Einreisenden werden deshalb in Kuba nach ihren Herkunftsländern befragt und bei Bedarf von Ärzten in ihrer Unterkunft zur Blutabnahme besucht, um Infektionsfälle so früh wie möglich zu registrieren und zu behandeln. Parallel dazu zeigt auch die landesweite Kampagne zur Bekämpfung des Krankheitsüberträgers, der Tigermücke, Wirkung. So sind, laut einer Pressemeldung aus dem Gesundheitsministerium, mehrere Gemeinden, wo zuvor Dengue-Infektionsfälle registriert wurden, nun frei von Infektionen.. Anders als das Zika-Virus, welches Mitte März 2016 zum ersten Mal auf der Insel registriert wurde, ist das Dengue-Fieber seit Jahren eine Herausforderung für die Gesundheitsbehörden. Mehrfach hat es, vor allem im Osten der Insel, Warnungen wegen des erhöhten Dengue-Infektionsrisikos gegeben. Im November 2015 in Cienfuegos, im Zentrum der Insel, zuvor bereits in Santiago de Cuba und im östlich von Havanna gelegenen Matanzas.
Aedes aegypti, wie die ägyptische Tigermücke wissenschaftlich heißt, lebt anthropogen, das heißt, sie bevorzugt nicht die tropische Busch- oder Sumpflandschaft, sondern die Nachbarschaft vom Menschen. Auf Müllkippen, in Armenvierteln ist die Mücke oft anzutreffen, denn dort findet sie oft optimale Lebensbedingungen vor - so reichen ausrangierte Altreifen, Untersetzer von Blumenkübeln oder weggeworfene Soft-Drink-Flaschen schon aus, um die Eier abzulegen. Etwas Wasser genügt, damit zehn Tag später die Brut ausschlüpft. Darauf machen die kubanischen Behörden mit Aushängen in Apotheken, beim Lebensmittel-Laden an der Ecke und in den Bäckereien aufmerksam und die Resonanz ist positiv, so ein FAR-Reservist in Cienfuegos während einer Sprühpause. »Die Nachbarschaft hilft, ist aktiv und wir haben viel weniger Plastikmüll registriert.«
Plastikflaschen mit Getränkeresten sind für die Larven optimal, denn Wärme und etwas Flüssigkeit sind wahre Wachstumsbeschleuniger. Folgerichtig finden sich auf jeder Müllkippe derartige Plastikbiotope und denen hat Kuba den Kampf angesagt. Noch besser allerdings wäre es, so Experten, wenn die Recyclingquote wieder steigen und der Import von Plastikverpackung sinken würde. Doch das ist in Kuba derzeit Wunschdenken. Wissenschaftler beschäftigen sich auch dort mit der Frage, woher das Virus kam. Das ist laut jüngsten Studien nun klar: aus Französisch Polynesien. Zu der Inselgruppe gehört neben Tahiti auch das Mururoa-Atoll, welches durch Frankreichs Atomtest traurige Berühmtheit erlangte. Laut einer gemeinsamen Studie von Wissenschaftlern der Oxford University und des Instituto Evandro Chagas in Rio de Janeiro von Mitte März wurde das Virus aus der Südsee nach Lateinamerika eingeschleppt und zwar zwischen Mai und Dezember 2013. Ein Faktor dabei, so die Wissenschaftler, sei die Zunahme des Flugverkehrs zwischen der Region und Brasilien. Diese Ansicht deckt sich mit jüngsten Veröffentlichungen im Wissenschaftsjournal »Science«, welches neben Sport-Großereignissen wie dem Konföderations-Pokal das wachsende Reiseaufkommen erwähnt. Von Brasilien habe sich das Virus dann in der Region ausgebreitet, so die Experten, die im Laufe des Jahres weitere Erkenntnisse über den Virus und seine Herkunft präsentieren wollen.
Die Erkenntnisse decken sich mit den kubanischen Angaben. So sind zehn der elf kubanischen Zika-Patienten vorher in Guayana, Brasilien, Venezuela und anderen Ländern der Region gewesen. Sorgen macht den Gesundheitsbehörden hingegen der elfte Fall, denn die 21-jährige Patientin aus Centro Habana, einem der zentralen Stadtteile Havannas, war eben nicht kürzlich im Ausland, sondern hat sich in Kuba infiziert. Folgerichtig muss der Erreger auch in Kubas Hauptstadt kursieren, wenngleich es dafür bisher keine weiteren Anhaltspunkte gibt.
Laut der Weltgesundheitsbehörde werden in der zweiten Jahreshälfte die ersten Studien zur Entwicklung eines Impfstoffs beginnen. Ob die Kubaner daran mitforschen, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.
Bert Beudel
Neues Deutschland, 14.05.2016