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Kuba macht den Schnitt

Der sozialistischen Karibikinsel wird Teil der Auslandsschulden erlassen. Wirtschaftliche Impulse erhofft.

Vertreter der kubanischen Regierung und von 14 Gläubigerstaaten des Pariser Clubs haben sich am Samstag in der französischen Hauptstadt auf eine Regelung zu Kubas Auslandsschulden geeinigt. Der Pariser Club ist ein informelles ­Gremium, in dem Schuldner- und Gläubigerländer über eine Umschuldungen oder einen Schuldschnitt beraten.

Die beteiligten Länder streichen kubanische Verbindlichkeiten im Umfang von vier Milliarden US-Dollar (rund 3,65 Milliarden Euro). Havanna verpflichtete sich im Gegenzug, Ausstände in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar (rund 2,37 Milliarden Euro) innerhalb von 18 Jahren zurückzuzahlen. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin bezeichnete die Vereinbarung in Paris als »Beginn einer neuen Ära der Beziehungen zwischen Kuba und der internationalen Finanzwelt«.

Der Einigung waren zwei Jahre dauernde informelle Gespräche vorausgegangen. Deren baldiges Ende hatte sich bereits im März abgezeichnet, als der Präsident des Pariser Clubs, Bruno Bezard, nach Havanna reiste. Die Schlussverhandlungen, die ab Donnerstag in Paris stattfanden, brachten den Durchbruch. Die Gruppe der beteiligten Gläubigerländer (Australien, Belgien, Österreich, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Niederlande, Spanien, Schweden, die Schweiz und Großbritannien) qualifizierte das Abkommen in einer am Samstag verbreiteten Presseerklärung als »Rahmen für eine tragfähige, endgültige Regelung« aller kubanischen Zahlungsrückstände. Die Ausstände bis zum 31. Oktober 2015 gegenüber diesen Ländern wurden mit insgesamt 11,1 Milliarden US-Dollar angegeben.

Die Gläubiger versprechen sich von der Schuldenrestrukturierung eine gute Ausgangsposition für Investitionen auf Kuba. »Unsere Firmen wollen hier sein, bevor die Amerikaner das Embargo aufheben«, zitierte die in Wien erscheinende Tageszeitung Die Presse einen europäischen Diplomaten. Für Havanna ist der Kompromiss von Paris, der die internationale Kreditwürdigkeit des Karibikstaates deutlich erhöht, ein wichtiger Schritt zur Reorganisation der Staatsfinanzen. Kubas Präsident Raúl Castro hatte seit seinem Amtsantritt im Jahr 2008 wiederholt erklärt, der Wiederherstellung der finanziellen Reputation seines Landes gebühre Priorität. In den vergangenen Jahren konnte Havanna bereits Umschuldungen mit Russland, China, Japan und Mexiko vereinbaren.

Die New Yorker Ratingagentur Moody’s bescheinigt der sozialistischen Karibikinsel bereits eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Perspektiven. Zeitgleich mit dem Beginn der Gespräche in Paris änderte Moody’s ihre Einschätzung des Investitionsklimas in Kuba von »stabil« auf »positiv«. Neben den Vereinbarungen zur Regelung der Auslandsschulden begründet die Agentur die Aufwertung mit der Diversifizierung der kubanischen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen, dem anhaltenden Boom im Tourismussektor und dem Abbau der Abhängigkeit vom Haupthandelspartner Venezuela. Der Einschätzung zufolge gebe es zwar nach wie vor Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung und bei Geschäften mit Kuba, die aber »beherrschbar« seien.

Moody’s prognostiziert ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent im Jahr 2015 und von drei Prozent für 2016 und liegt damit in der Nähe der von der kubanischen Regierung erwarteten vier Prozent für das kommende Jahr. In der Einschätzung der Kreditwürdigkeit bleibt die Agentur für Havanna bei der Kategorie »Caa2«, das ist der viertschlechteste Wert, allerdings mit steigender Tendenz. Kuba liegt damit gleichauf mit dem zentralamerikanischen Kleinstaat Belize, jedoch vor Jamaika, Griechenland, Venezuela und der Ukraine, deren Bonität mit »Caa3« bewertet wird. Trotz berechtigter Skepsis gegenüber Ratingagenturen dürfte deren positive Einschätzung Kuba derzeit bei der Suche nach internationalen Investoren nützen.

Ebenfalls hilfreich ist eine am Freitag in Washington erreichte Einigung zur Wiederaufnahme des direkten Postverkehrs zwischen Kuba und den USA. Nach Verhängung der US-Blockade war 1963 auch dieser Service eingestellt worden, um Kuba zu isolieren. Mehr als 50 Jahre lang musste der Versand von Briefen und Paketen zwischen den Nachbarn zeit- und kostenaufwendig über Drittländer abgewickelt werden.

Eine Bilanz der bisherigen Wirtschaftsentwicklung und der Ausblick auf das kommende Jahr 2016 stehen im Mittelpunkt der letzten Parlamentssitzung dieses Jahres am 29. Dezember in Havanna. Die dortigen Debatten werden – im Vorfeld des für April 2016 einberufenen VII. Parteitags der Kommunistischen Partei Kubas – mit Spannung erwartet.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.12.2015