Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
Presented by The Company
Mysterium Kuba: In einer achtteiligen Dokuserie möchte ZDF info die Geschichte des karibischen Inselstaats enträtseln.
Kuba ist angesagt. Kuba polarisiert. Kuba wirft Fragen auf. In Kuba ist alles ganz geheim. Das ändert sich nun. Aus umfangreichem Filmmaterial und Interviews mit zahlreichen Zeitzeugen und Experten entstand eine achtteilige dokumentarische Serie für ZDF info, France Télévision und TV3 Catalunya unter dem deutschen Titel »Geheimes Kuba«. Sie soll das vielleicht größte Rätsel des Castro-Reichs lösen: Wieso konnte die aus der Revolution 1959 hervorgegangene Ordnung trotz aller Bemühungen ihrer Feinde nicht besiegt werden, »obwohl alle wissen, dass Kommunismus böse ist«, wie ihr russischer Koproduzent Igor Prokopenko meint. Liegt es an zu viel Sonne?
Das Credo, mit welchem an den komplexen Stoff herangegangen wurde, nennt ZDF-Programmleiter Christian Deick auf der Pressevorführung vor wenigen Tagen im Spy Museum Berlin am Leipziger Platz: »Wir bemühen uns schon um einen ausgewogenen Blick. Jede Seite kommt zu Wort.« Die Serie sei »aber schon vom Standpunkt der Demokratie und der Freiheit aus konzipiert« worden. Gerade zur jüngere Geschichte Kubas gebe es ja sehr unterschiedliche, kontroverse Sichtweisen. Ob jemand als Freiheitskämpfer oder Terrorist gelte, sei eben immer eine Frage des Standpunktes. Deick verwahrt sich daher gegen eine »Diffamierung« der Zeitzeugen, die sich nach Berlin bemüht haben und nun hier auf dem Podium sitzen. Eine kleine Galerie von Galgenvögeln ist da aufgereiht: Juan Antonio Rodríguez Menier, ein Überläufer aus dem kubanischen Geheimdienst, der exilierte Exrevolutionär Dariel »Benigno« Alarcón Ramirez und als Krönung der Möchtegern-Fidel-Attentäter Félix Rodríguez. Der alte CIA-Mann war bei etlichen verdeckten Operationen der »Company« gegen Kuba und alles Linke in Lateinamerika kriminell aktiv. Dass sich kubanische Offizielle von einem so bestückten Podium schon aus Gründen der moralischen Hygiene fernhalten müssen, dürfte den Veranstaltern vorher klar gewesen sein. Rodríguez spricht druckreif, der Text sitzt seit langem. Er erzählt seine Lieblingsfabel. Wie er damals dabei war, als Ché Guevara in Bolivien gefangengenommen wurde. Vom ritterlichen Vier-Augen-Gespräch unter Andersdenkenden. Dass die US-Regierung das Leben des Argentiniers schonen wollte. Dass dessen Exekution allein eine Entscheidung der bolivianischen Regierung gewesen sei, die keinen öffentlichen Prozess und damit verbundene Proteste wollte. Seine Story war so schon oft zu lesen. Etwas Gutes findet er doch an Fidels Kuba: Die Milliarden, welche die Sowjetunion in Kuba stecken musste, hätten zu ihrem wirtschaftlichen Ausbluten beigetragen. So ist das, wenn man mit Orangen handelt. Die wirklichen Mörder und Folterer sitzen für Rodríguez natürlich in Havanna. Wer ihn kritisiert, ist sicher von der kubanischen Regierung geschickt. Paranoia gehört eben zum Berufsbild solcher Kämpfer für Demokratie und Freiheit.
Ebenfalls eine gute Sache ist die Gerechtigkeit. Deshalb sei gesagt, dass die vier Teile der ersten Staffel die »multiperspektivische Darstellung«, die »Geheimes Kuba«-Produzent Gunnar Dedio mit seiner Firma LOOKS umsetzen wollte, auf informative Art gelungen ist. Und das, obwohl der DDR-geschädigt ist: »Ich kenne also durchaus ein System, in dem es nicht möglich war, verschiedene Meinungen zu sagen.« Auch Freunde Kubas, echte Experten und ganz echte alte Revolutionäre kommen zu Wort. Die Reise in die Geschichte führt von Columbus bis zum Sieg Fidels. Zwischendurch ist noch die Mafia am Abzug. Wichtig für das Verständnis des Landes ist auch der Teil der Vorgeschichte, der sich mit der Batista-Diktatur und seiner Rolle als »Hure der USA« beschäftigt. Und, revolutionäre Romantiker aufgepasst: Es gibt einiges zu lernen bei Fidel über die Kunst der Improvisation und den Nutzen einer guten PR für den Kampf.
Die ersten Teile berühren eher kalte Eisen. Für die folgenden bleiben noch genug Gelegenheiten, sich die Finger zu verbrennen. Die ARD hat es vor gut zehn Jahren vorgemacht, als sie gegen Kuba in den Kalten Krieg zog und US-Präsident John F. Kennedy durch Fidel Castro ermorden ließ. Was ZDF info nicht aufdeckt: Das Geheimnis der Langlebigkeit des kubanischen Sozialismus liegt im Rum. Denn der heißt in Havanna und Santiago nicht Bacardi.
»Geheimes Kuba«. heute, 20.15 Uhr, ZDF info. Wiederholung: Freitag, 18.12., ab 12.00 Uhr, ZDFinfo. Eine DVD-Box erscheint im März 2016 bei polyband
Veröffentlichung |
Peter Steiniger
junge Welt, 11.12.2015