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Vereint für Lateinamerika

Solidarisch mit Venezuela: »Gipfel der Völker« in Brüssel bündelte Kräfte zur Verteidigung der fortschrittlichen Prozesse auf dem Kontinent.

Abschlussveranstaltung »Gipfel der Völker«
Position bestimmt: Bei der Abschlussveranstaltung wurden gemeinsame politische Strategien erörtert (Brüssel, 11.6.2015)
Foto: Eduardo Santillán / Presidencia de la República


Die Nationalbasilika des Heiligen Herzens in der Brüsseler Gemeinde Koekelberg wurde am Donnerstag abend von einem revolutionären Geist erfüllt. Für eine volle Kirche sorgten zum Abschluss die 1.500 Teilnehmer des »Gipfels der lateinamerikanischen, karibischen und europäischen Völker«, der am Mittwoch und Donnerstag parallel zu einem Treffen der Europäischen Union und der lateinamerikanischen und karibischen Staatengemeinschaft CELAC in der belgischen Hauptstadt stattfand. Politiker der links regierten CELAC-Länder, mit Ecuadors Staatschef Rafael Correa an der Spitze, kamen nach Abschluss der Verhandlungen in das Gotteshaus, um zu den linken Aktivisten aus mehr als 40 Ländern zu sprechen. Als Gast geladen war auch die Abgeordnete der griechischen Partei Syriza Anastasia Gara. Unter dem Jubel der Menge versprach sie, dass sich ihr Land in das »Venezuela Europas« verwandeln werde – »mit einer sozialistischen Zukunft«.

Das Treffen mit den sozialen Bewegungen in der Basilika sei wichtiger als die Verlautbarungen des EU-CELAC-Gipfels, erklärte Venezuelas Vizepräsident Jorge Arreaza. In den Verhandlungen habe er sich etwas »unwohl« gefühlt, weil die EU-Politiker immer wieder den freien Handel, »wie eine Zauberformel« auftischten. Diesen neoliberalen Konzepten hätten die CELAC-Vertreter »in aller Bescheidenheit« die Errungenschaften in Lateinamerika entgegengesetzt.

Ähnlich hatte sich an dem Abend bereits der ecuadorianische Staatschef und derzeitige CELAC-Präsident, Rafael Correa, geäußert. Er fand klare Worte gegen die Politik der Industrienationen gegenüber den lateinamerikanischen Staaten. Die reichen Länder würden von deren natürlichem Reichtum profitieren und Güter wie frische Luft mitnutzen, gleichzeitig aber Wissen und Ideen privatisieren. In Bezug auf die Flüchtlingskrise im Mittelmeer erklärte er: »Während sich das Kapital immer freier bewegen kann, wird die Freizügigkeit der Menschen kriminalisiert.« Gleichzeitig warnte er vor den Angriffen gegen die fortschrittlich regierten Länder. In Ecuador etwa stünde der größte Teil der Bevölkerung hinter der Regierung. Aber das sei eine »friedliche, stille Mehrheit«, während die Opposition aggressiv und besser organisiert als zuvor vorginge.

Quelle der Hoffnung

Die Teilnehmer hatten auch in den Vortagen bei der Tagung im Kongresszentrum »Passage 44« alle Versuche verurteilt, das Land von innen oder außen wirtschaftlich und politisch zu destabilisieren. Das Dekret der US-Regierung, in der Venezuela als eine »Bedrohung« eingestuft wird, wurde als Anmaßung und imperialistische Einmischung kritisiert und zurückgewiesen. Die Solidarität mit Venezuela müße das gemeinsame Anliegen der Linkskräfte auf beiden Kontinenten sein. Die Angriffe auf die Regierung Maduro bildeten nur die Speerspitze zur Umkehr der Linksentwicklungen in zahlreichen Ländern Lateinamerikas in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten. Für die Linke in Europa und weltweit seien diese Prozesse eine Quelle der Hoffnung und Inspiration. Widerspruch gegen das von den Konzernmedien hier wie dort gezeichnete Katastrophenbild der Bolivarischen Revolution müsse deutlicher hörbar gemacht werden. Zur Mobilisierung gegen das US-Dekret soll ein Aktionsplan entwickelt werden.

Am ersten Veranstaltungstag diskutierten Delegierte der verschiedenen Organisationen über eine Vertiefung der internationalen Kooperation und über Möglichkeiten, alternative Medienprojekte zu entwickeln und zu schaffen. Solche würden dringend gebraucht, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen und über die Arbeit der sozialen Bewegungen und linken Parteien zu informieren.

Luis Bilbao, Mitbegründer der Zeitschrift América XXI, erinnerte diesbezüglich bei der Pressekonferenz an die Zeit vor dem Putschversuch in Venezuela 2002. Damals habe es keine Medien zur Verteidigung der Bolivarischen Revolution gegeben – auch keine linken, denn diese hätten den Prozess noch nicht verstanden. Erst danach habe man nach und nach eigene Medien aufgebaut. Man dürfe angesichts solch erfolgreicher Projekte wie des lateinamerikanischen Fernsehsenders TeleSur nicht vergessen, »was schon geleistet worden ist«. Die Glaubwürdigkeit der bürgerlichen Medien habe gelitten, sie »lügen notwendigerweise«. Um den Kapitalismus zu überwinden, müsse man dagegen die Wahrheit sagen, und »es gibt mehr und mehr Menschen, die sie hören wollen«.

Konsens ohne Washington

Parallel dazu kamen Intellektuelle und Abgeordnete linker Parteien beider Kontinente zusammen, um im Plenum die aktuelle Situation und politische Strategien zu erörtern. Der Interventionismus der imperialistischen Mächte USA und EU wurden ebenso analysiert wie das Problem eurozentristischer Sichtweisen. Die venezolanische Abgeordnete Carmen Borges unterstrich, dass Lateinamerika heute stärker und geeinter als jemals zuvor dasteht. Im Saal und auf dem Podium herrschte übereinstimmung darin, dass um die Behauptung und Wiedererlangung der Initiative gekämpft werden muss. Es soll wechselseitig Solidarität geübt werden mit Ländern wie Kuba und Venezuela ebenso wie mit Europas jungen Arbeitslosen, den Armutsrentnern und den dahin Flüchtenden. Als Zeichen der Hoffnung für ganz Europa wurde Griechenlands Ausbruch aus der neoliberalen Phalanx begrüßt.

Am Donnerstag setzten die anwesenden Intellektuellen aus Lateinamerika und Europa die Diskussionen mit den Teilnehmern in Workshops fort, unter anderem zu den Themen Freihandelsabkommen, Interventionsgefahr und Sanktionen gegen fortschrittliche Länder, Umweltschutz und Menschenrechte. Bei dem Runden Tisch zur lateinamerikanischen Integration zeigten die Referenten die historischen Wurzeln des Zusammenwachsens der Region auf. Bereits die revolutionären Vordenker der heutigen Entwicklung, José Martí und Simón Bolívar, hätten in der Einheit die einzige Möglichkeit gesehen, gegen den »Koloss im Norden« anzukommen. Der ständigen Einmischung durch die USA und dem Versuch, die eigenen Interessen mit Freihandelsabkommen und Bündnissen durchzusetzen, sei durch einen »antihegemonialen Regionalismus« etwas entgegengesetzt worden, wie der Vertreter der venezolanischen Regierungspartei PSUV, Juan Romero, erklärte.

Aleida Guevara, Tochter des »Che«, bezeichnete den »Aufbau der Großen Heimat« als »einzige Rettung« für Lateinamerika. »Wir sind auf dem Weg zur ideologischen Hegemonie auf dem Kontinent«, sagte der in Belgien lebende Chilene Francisco Dominguez. Der »Washington-Konsens«, die Doktrin zur Durchsetzung neoliberaler Politik auf dem Kontinent, habe sich in einen Konsens ohne Washington verwandelt. Doch jetzt gelte es nicht nur weiterzukämpfen, sondern das Erreichte zu verteidigen.

Die Perspektive dafür machte Venezuelas Vizepräsident Arreaza bei der Abendveranstaltung in der Basilika auf. Nach dem Tod von Chávez hätten viele dem jetzigen Präsidenten Maduro geraten, auf einen gemäßigten Kurs umzuschwenken. Doch eine Lösung für Venezuelas Probleme gebe es nur »mit dem Volk und mit Sozialismus«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Lena Kreymann, Peter Steiniger, Brüssel
junge Welt, 13.06.2015