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Sozialismus statt Freihandel

Hochrangige Gäste aus Ecuador, Venezuela und Kuba beim »Gipfel der Völker« in Brüssel. Rafael Correa brandmarkt EU-Wirtschaftspolitik.

Ecuadors Präsident Rafael Correa
Ecuadors Präsident Rafael Correa bei seiner Rede auf der Abschlussveranstaltung
Foto: Screenshot TeleSur


Die Nationalbasilika des Heiligen Herzens in der Brüsseler Gemeinde Koekelberg preist sich auf ihrer Homepage als die fünftgrößte Kirche der Welt an: »Größer noch sind nur die Basilique de Notre-Dame de la Paix in Yamoussoukro in der Elfenbeinküste, die Peterskirche in Rom, die St.-Pauls-Kathedrale in London und die Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz.« Doch am Donnerstag nachmittag war dieses Gotteshaus für normale Besucher geschlossen. In den heiligen Hallen fand die Abschlussveranstaltung des »Gipfels der Völker« statt. Zwei Tage lang hatte dieser parallel zum Spitzentreffen der Staats- und Regierungschefs der EU und Lateinamerikas Vertreter sozialer Bewegungen, linker Parteien und von Solidaritätsinitiativen zusammengebracht (jW berichtete). Nun fand mit einer Kundgebung hochrangiger Gäste aus Lateinamerika der Höhepunkt dieser Alternativveranstaltung statt.

Venezuelas Vizepräsident Jorge Arreaza würdigte den Parallelgipfel als die gegenüber der offiziellen Konferenz eigentlich wichtigere Veranstaltung. Es gebe nur einige Präsidenten, die zu beiden Veranstaltungen eingeladen seien. Bei dieser Veranstaltung seien nicht irgendwelche abgehobenen Staatschefs eingeladen, sondern solche Präsidenten, die sich als Sprachrohre ihrer Völker verstehen. Deshalb sei es auch kein Zufall, dass sich mit Aleida Guevara die Tochter des legendären Comandante Che Guevara ebenso unter den Teilnehmern der Veranstaltung befinde wie eine der Töchter von Hugo Chávez, Rosa Virginia, und ein Enkel von Fidel Castro, Fidelito.

Beim offiziellen Gipfeltreffen hätten die Vertreter der EU immer wieder den Freihandel als einzige Möglichkeit für den Fortschritt angepriesen, berichtete Arreaza. Die Folgen einer solchen Politik seien in Lateinamerika jedoch wohlbekannt. Gegen deren Konsequenzen habe sich der Volksaufstand 1989 in Venezuela gerichtet, und auch Argentinien habe leidvolle Erfahrungen mit den Folgen einer neoliberalen Politik machen müssen. Noch heute gebe es immer wieder Berater, die Venezuelas Präsident Nicolás Maduro empfehlen, auf einen zentristischen, gemäßigten Kurs umzuschwenken. Das komme jedoch nicht in Frage, so Arreaza. Der Weg für Venezuela könne nicht der Kapitalismus sein, sondern nur der Aufbau des Sozialismus!

»Einer der Präsidenten Europas – ich werde seinen Namen nicht nennen – sprach in seiner Rede von Libyen und beklagte, dass dieses Land heute zerstört und im Chaos versunken sei«, berichtete Arreaza vom Brüsseler Gipfel. »Doch wer hat denn die Zerstörung Libyens provoziert?« Vor dem von den westlichen Staaten betriebenen Sturz der Regierung in dem nordafrikanischen Land sei Libyen ein Faktor der Stabilität gewesen, heute gebe es dort keine Kontrolle mehr. Deshalb kämen über dieses Land auch Tausende Flüchtlinge, die in Europa Zuflucht vor Krieg und Elend suchten. Doch diesen Menschen, deren Flucht eine Folge des Kolonialismus und Neokolonialismus in Afrika sei, verweigere Europa die sichere Einreise, so dass Tausende im Mittelmeer den Tod finden. Das sei ein Verbrechen, urteilte der venezolanische Vizepräsident und fragte mit Blick auf die Geschichte: »Wieviele Europäer sind vor Armut und Elend nach Lateinamerika geflohen, und wir haben ihnen nie die Zuflucht verweigert.«

Zuvor hatte bei der Abschlussveranstaltung schon Ecuadors Präsident Rafael Correa die vorherrschende Politik in Europa gebrandmarkt. So sei die Politik der Zwangsräumungen von Wohnraum in Spanien nicht hinnehmbar. Er gratulierte der spanischen Linken zu ihren jüngsten Wahlerfolgen. So sei mit Ada Colau in Barcelona eine Vertreterin der Bewegung gegen diese Zwangsräumungen zur neuen Bürgermeisterin gewählt worden. Das sei ein Zeichen gegen die in Europa bislang hegemoniale Wirtschaftspolitik, die die Krise erst verursacht habe.

Correa bekräftigte, dass Lateinamerika den Neokolonialismus nicht tolerieren werde und verlangte erneut – wie schon am Mittwoch auf dem offiziellen Gipfeltreffen – die vollständige Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba, die Rückgabe von Guantánamo an Havanna sowie die Annullierung des von US-Präsident Barack Obama im März unterzeichneten Dekrets, das Venezuela zu einer »Gefahr für die nationale Sicherheit« der Vereinigten Staaten erklärt. »Venezuela, Bolivien und Ecuador widersetzen sich dem Neokolonialismus, wir senken nicht unser Haupt vor dem Imperium, und deshalb wollen sie uns unter irgendwelchen Voräwnden mit Sanktionen bestrafen.« Doch die Lateinamerikanische und Karibische Staatengemeinschaft (CELAC) habe einstimmig diese Einmischung zurückgewiesen. Deshalb sei es so wichtig, die CELAC weiter zu festigen, damit sie die Organisation Amerikanischer Staaten ablösen könne, die Fidel Castro als Kolonialministerium der USA bezeichnet hatte.

Auch der kubanische Vizepräsident Miguel Díaz Canel ergriff unter dem Gewölbe der Basilika das Wort. Er überbrachte Grüße von Staatschef Raúl Castro und vom historischen Führer der Revolution, Fidel Castro. Zudem warnte er, dass die durch den Neoliberalismus in die Krise gestürzten Länder zu Maßnahmen griffen, die unabschätzbare Folgen für die Bevölkerung und die Menschheit mit sich brächten. Notwendig sei, die ungerechte Weltordnung zu überwinden, auch um die Umwelt vor der Zerstörung durch den maßlosen Konsumismus zu bewahren.

Grüße an den »Gipfel der Völker« sandte auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. Er selbst habe wegen der schwierigen Verhandlungen, die seine Regierung derzeit mit anderen Regierungen der EU führen müsse, leider nicht kommen können, ließ er Abgeordnete seiner Partei Syriza ausrichten. Doch Athen werde die Politik der Wiederherstellung der Würde des Volkes fortsetzen - »mit der Perspektive einer sozialistischen Zukunft!« (jW)

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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junge Welt, 12.06.2015