Nachrichten aus und über Kuba
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Offensive der Linken
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel: Am heutigen Mittwoch werden in Brüssel Dutzende Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika und der EU zu einem zweitägigen Gipfeltreffen erwartet. Die Vertreter der 61 in der belgischen Metropole zum zweiten offiziellen Treffen zwischen der Europäischen Union und der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC) zusammenkommenden Länder repräsentieren mehr als eine Milliarde Menschen und ein Drittel der UNO-Mitglieder. Angekündigt haben sich unter anderem Boliviens Präsident Evo Morales, sein ecuadorianischer Amtskollege Rafael Correa und der kubanische Vizepräsident Miguel Díaz-Canel Bermúdez. Als Gastgeber tritt EU-Ratspräsident Donald Tusk auf, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich angesagt. Wohl nicht nach Brüssel kommen wird dagegen Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, nachdem er am Wochenende bereits ein geplantes Treffen mit Papst Franziskus in Rom »aus Gesundheitsgründen« abgesagt hatte. An seiner Stelle kommt Vizepräsident Jorge Arreaza, der bereits seit Tagen in Europa unterwegs ist. Der Schwiegersohn des 2013 verstorbenen venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez rief am Montag bei einer Kundgebung in Rom zu einer Offensive der internationalen Linken auf. Auch heute müsse man gegen die »imperialen Modelle« kämpfen: »Die Linke braucht eine Agenda der endgültigen Offensive, denn wir haben keine Zeit!« Er rief dazu auf, Maduro zu unterstützen, dessen Aufgabe im Kampf gegen die Angriffe des Imperiums nicht leicht sei. Doch er zeigte sich überzeugt: »Wir werden nicht nur in Venezuela, Ecuador, Nicaragua, Kuba siegen, sondern an allen revolutionären Kampfplätzen!«
In Rom nahm Arreaza zudem eine Auszeichnung der Welternährungsorganisation FAO entgegen, mit der Venezuelas Anstrengungen gegen Armut und Hunger gewürdigt werden. Im Jahr 2000 hatten 189 Staaten der Welt acht Ziele vereinbart, um bis zum Jahr 2015 die wirtschaftliche und soziale Lage von Milliarden Menschen auf der Welt zu verbessern. So hatten die Regierungen damals beschlossen, innerhalb von 15 Jahren die Zahl der Hungernden zu halbieren. Dieses Millenniumsziel erreichten 29 Länder, unter ihnen Venezuela.
Unklar war vor Beginn des Gipfels in Brüssel noch, ob sich die Teilnehmer auf Beschlüsse würden einigen können. Einer der Hauptstreitpunkte scheint die Frage zu sein, ob es in der Abschlusserklärung einen konkreten Bezug auf die Lage in Venezuela geben soll. Maduro hatte sich in den vergangenen Wochen wiederholt Kommentare führender EU-Vertreter verbeten, die ihre »Sorge« über die Situation in dem südamerikanischen Land geäußert hatten. Auch die Regierungen der Region hatten sich in den vergangenen Monaten immer wieder gegen die Destabilisierung auf die Seite von Caracas geschlagen.
Parallel zu den offiziellen Beratungen findet am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel ein »Gipfel der Völker« statt, den federführend die belgische Initiative »Cuba Socialista« organisiert hat und zu dem sich Teilnehmer und Organisationen aus insgesamt 42 Ländern angekündigt haben. Am Mittwoch soll dabei die Solidarität mit Venezuela im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen, während am Donnerstag ein breites Spektrum von Themen behandelt wird. Höhepunkt soll am Abend ein »Treffen der Solidarität« werden, zu dem neben Aleida Guevara, der Tochter Che Guevaras, auch Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika erwartet werden.
junge Welt ist in Brüssel mit zwei Redakteuren vertreten. Lena Kreymann und Peter Steiniger werden in den nächsten Tagen vor allem vom »Gipfel der Völker« berichten.
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 10.06.2015