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Zeitenwechsel angesagt
Hollande fordert bei seinem Besuch in Havanna die USA auf, die seit 1962 aufrechterhaltene Blockade gegen Kuba zu beenden.
Nach einem dreitägigen Besuch in Kuba ist Frankreichs Präsident Francois Hollande am Dienstag vormittag (Ortszeit) auf seiner Karibiktour nach Haiti weitergereist. Vor einem gemeinsamen Abendessen mit seinem kubanischen Amtskollegen Raúl Castro war der Gast aus Paris am Montag nachmittag von Revolutionsführer Fidel Castro empfangen worden. Wie die Tageszeitung Granma, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas, berichtet, würdigte der »Comandante en Jefe« dabei die historischen Beziehungen zwischen beiden Ländern und die Bedeutung von Hollandes Besuch. Fidel Castro betonte die Rolle der Französischen Revolution, mit der er sich bereits zur Vorbereitung seines Abiturs beschäftigt habe, für die Geschichte. Hollande revanchierte sich später bei seinen Gastgebern für das Lob des Comandante. Kuba stehe für den Anspruch Lateinamerikas auf Würde und Unabhängigkeit, sagte der Staatschef vor seinem Abflug nach Port-au-Prince. Der Aufenthalt in Havanna gilt zu Recht als »historisch«, auch wenn der Begriff in bezug auf die sozialistische Karibikinsel derzeit inflationär gebraucht wird. Es war nicht nur der erste Besuch eines französischen Staatschefs seit der Unabhängigkeit Kubas im Jahr 1898, sondern auch der erste eines Präsidenten aus der EU seit vielen Jahren.
Am Montag hatte Hollande die USA zur Beendigung der seit 1962 aufrechterhaltenen Blockade gegen den Karibikstaat aufgefordert. Sein Land werde alles dafür tun, »damit die Maßnahmen, die Kubas Entwicklung so sehr geschadet haben, endlich aufgehoben werden können«, sagte er bei einer Rede in der Universität von Havanna. Der Staatschef verwies darauf, dass Frankreich seit Anfang der 1990er Jahre in der UN-Generalversammlung die kubanischen Anträge gegen die Sanktionen unterstützt. Bei der letzten Abstimmung im Oktober 2014 hatten – wie im Vorjahr – erneut 188 der 193 UN-Mitgliedsstaaten für diese Resolution gestimmt. Hollande war in Kuba von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation, darunter Repräsentanten des Getränkeherstellers Pernod Ricard, des Hotelkonzerns Accor, der Handelskette Carrefour, des Telekommunikationsunternehmens Orange, von Air France und verschiedener Banken begleitet worden. Nachdem die Delegationen beider Länder zahlreiche bilaterale Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im akademischen und kulturellen Bereich unterzeichnet hatten, und Hollande den neuen Sitz des französischen Kulturzentrums »Alliance Francaise« in Havannas Altstadt eröffnet hatte, versicherte der Präsident in Hinblick auf die Normalisierung der Beziehungen zu den USA: »Frankreich wird Kuba gemeinsam mit der Europäischen Union in diesem Prozess begleiten.« Die Karibikinsel werde dabei in Paris »einen treuen Verbündeten« haben.
Hinter den Kulissen bemühen sich Diplomaten in Havanna derzeit auch um eine stärkere Beteiligung der Bundesrepublik an diesem Prozess. Die bereits im April 2014 begonnenen Gespräche mit der EU kommen – im Vergleich zu den erst seit Januar laufenden Verhandlungen über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA – nur schleppend voran. Das Auswärtige Amt sitzt dabei bisher eher auf der Zuschauerbank, was vor allem Vertreter der hiesigen Wirtschaft zunehmend nervt. »In Berlin herrschte und herrscht Schweigen«, kritisierte auch die Abgeordnete Heike Hänsel (Die Linke) am 7. Mai im Bundestag die Kuba- und Lateinamerikapolitik der Regierung.
Seit 1996 blockiert der auf Initiative des früheren rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossene »Gemeinsame Standpunkt« die Beziehungen der EU zu Kuba. In diesem Dokument wird ein Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für die Aufnahme normaler Beziehungen gemacht. Während Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien, die Niederlande und andere EU-Länder sich längst von der Doktrin verabschiedet und bilaterale Beziehungen zu Kuba aufgebaut haben, bremsen einige konservativ regierte Staaten noch immer den Normalisierungsprozess. Kuba ist deshalb das einzige Land Lateinamerikas, mit dem die EU kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat. Das wird vermutlich auch noch bis zum zweiten Gipfeltreffen zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) am 10./11. Juni in Brüssel so bleiben und dort die Position der Europäer nicht gerade stärken.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 13.05.2015