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Frankreich will in Kuba vorn bleiben

Erster Besuch des französischen Präsidenten Francois Hollande auf der Karibikinsel.

Frankreichs Präsident trat am Wochenende eine Reise in die Karibik an, deren Höhepunkt am heutigen Montag der Besuch Kubas sein wird.

Wohl um etwas zu relativieren, dass es sich um den ersten Besuch nicht nur eines Staatschefs Frankreichs, sondern sogar aus einem der EU-Länder überhaupt seit der Unabhängigkeit Kubas handelt, hatte Francois Hollande zunächst zwei französische Überseedepartements auf seinem Besuchsprogramm. In Martinique leitete er eine Regionalkonferenz über Umweltschutz in Vorbereitung auf den UN-Umweltgipfel, der im Dezember in Paris stattfindet, und in Guadeloupe weihte er ein Mahnmal zur Erinnerung an den Sklavenhandel ein. Den Abschluss bildete ein Besuch in Haiti, auch dort der erste eines französischen Präsidenten seit Erringung der Unabhängigkeit von Paris im Jahre 1804.

Doch der historische und politische Höhepunkt der Reise ist zweifellos der Besuch in Kuba. Dass er zustande kam, liegt vor allem an der Ankündigung vom 17. Dezember 2014 in Washington und Havanna, die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern zu normalisieren. Seitdem können es die US-amerikanischen Konzerne kaum erwarten, dass die Blockade der USA endgültig fällt und sie in Kuba investieren und das Land mit ihren Waren überfluten können.

In den Jahren des Wirtschaftsembargos hatte Frankreich hingegen in kleinen Schritten Handelsbeziehungen mit Kuba aufgebaut, die dort als echte Hilfe gewürdigt wurden. So stellen beispielsweise die Franzosen das größte Kontingent der Besucher aus Europa, und mit dem Tourismus nimmt Kuba dringend benötigte Valuta ein.

An der zur Verbreitung der Sprache gegründeten Vereinigung Alliance Francaise lernen in Havanna jährlich 10.000 Studenten Französisch. In bescheidenem Umfang wurden französische Industrieausrüstungen und Konsumgüter geliefert und im Gegenzug Rohrzucker, Fische, Südfrüchte, Rum und Zigarren importiert. Diese Normalisierung der bilateralen Beziehungen in kleinen Schritten droht jetzt durch eine US-amerikanische Offensive überrollt zu werden. Die politischen Beziehungen zwischen Europa und Havanna waren durch den Beschluss der EU von 2003 unter Hinweis auf eine unzulängliche Gewährung von Menschenrechten in Kuba auf niedrigstem Niveau eingefroren worden. Die gegenwärtigen Verhandlungen zwischen Brüssel und dem Karibikstaat über ein Rahmenabkommen für Handel und politischen Dialog kommen nicht recht voran.

»Die europäische Position ist absurd«, empört sich ein von der Zeitung »Le Monde« anonym zitierter EU-Diplomat, »denn Kuba werden härtere Bedingungen gestellt als allen Diktatoren der Welt, an deren Händen Blut klebt«. So wird die Ratifizierung der UN-Pakte über individuelle und kollektive Rechte gefordert, die Kuba zwar unterzeichnet, aber noch nicht in Kraft gesetzt hat.

Nun droht die zögerliche EU-Diplomatie, die sich auch mit den unionsinternen Differenzen herumschlagen muss, überrollt zu werden. Während Länder wie die Niederlande, Schweden und Polen immer neue und schärfere Forderungen stellen, plädieren Frankreich und Spanien für größere Toleranz und schnelle Normalisierung. Seit Dezember drohen Europa die Felle davonzuschwimmen, und es dürfte ein Wettlauf nach Havanna einsetzen, um nicht von den US-Amerikanern ausgebootet zu werden.

Frankreich hat noch vergleichsweise gute Karten, nicht zuletzt weil Paris von den 16 Milliarden Euro Auslandsschulden Kubas allein fünf Milliarden hält. Rund 20 französische Konzerne sind bereits präsent oder kurz vor der Eröffnung von Filialen. Beispielsweise baut der Bouygues-Konzern neue Hotels im Rahmen der Pläne Havannas, die Zahl der heute jährlich drei Millionen Touristen innerhalb der nächsten fünf Jahre auf zehn Millionen zu steigern.

Neues Deutschalnd

Ralf Klingsieck, Paris
Neues Deutschland, 11.05.2015