Nachrichten aus und über Kuba
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Besuche in Havanna
Nach Scheitern der Blockadepolitik der USA wächst Interesse an Kuba.
Kubanische Diplomaten und Wirtschaftsexperten haben seit Wochen kaum noch eine freie Minute. Neben Delegationen aus den befreundeten Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens (wie Venezuela, Russland, China oder Vietnam), stehen in Havanna derzeit auch jede Menge anderer Besucher auf der Matte. Solche, die an der sozialistischen Karibikinsel noch bis vor kurzem kein gutes Haar gelassen hatten. Doch seit US-Präsident Barack Obama im Dezember vergangenen Jahres das Scheitern der bisherigen Kuba-Politik seines Landes eingestand, will jeder dabei sein und in Havanna Geschäfte machen.
»Ich will hier nur Getreide verkaufen, um Politik kümmere ich mich nicht«, sagte auch Ben Scholz, der am gestrigen Sonntag als Mitglied einer 24köpfigen Gruppe von Farmern aus Texas in der kubanischen Hauptstadt ankam. Etwas später forderte er dann aber doch – wie alle anderen – den US-Kongress auf, die Blockade gegen Kuba schnell zu beenden. Cynthia Thomas, die Leiterin der Delegation, die sich noch bis Mittwoch in Havanna aufhält, verschwieg nicht, dass es ihnen dabei weniger um das Wohl der kubanischen Bevölkerung als vielmehr ums eigene Geschäft geht. Die texanische Wirtschaft sei generell an Kooperationen im Luftverkehr, im Tourismus sowie in der Agrar- und Ölbereich interessiert, sagte sie. Die Farmer erhofften sich Besuch in Kuba, hier – von Reis und Vieh über Bohnen und Baumwolle bis zu Milchpulver – alles verkaufen zu können. Dafür sind sie jetzt auch vehement gegen die Blockade, mit der ihr Land seit über 50 Jahren versucht, den kleinen sozialistischen Nachbarn im Süden fertigzumachen.
Knapp eine Woche vor dem Besuch der Farmer hatte der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, an der Spitze einer hochkarätigen Unternehmer- und Politikerdelegation in Havanna zugesagt, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um zur Aufhebung der Blockade beizutragen. Dies sei eine Forderung, die er immer unterstützt habe, sagte Cuomo. Neben Absichtserklärungen für eine künftige Zusammenarbeit wurden zwei konkrete Abkommen unterzeichnet: eines zur Kommerzialisierung des kubanischen Impfstoffes gegen Lungenkrebs in den USA und ein weiteres über die Einführung von Software in der kubanischen medizinischen Industrie.
Am Donnerstag erklärten in Washington republikanische Kongressabgeordnete, keine Einwände mehr gegen die Streichung Kubas von der US-Terrorliste vorbringen zu wollen. Damit gilt als sicher, dass die sozialistische Insel mit Ablauf der 45tägigen Einspruchsfrist des Kongresses am 29. Mai endgültig von dieser Liste gestrichen wird. Eine weitere Bedingung der kubanischen Regierung für die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Washington und Havanna wäre dann erfüllt.
Dort stehen aber erst einmal weitere Premieren an. Am kommenden Donnerstag wird mit Fumio Kishida – zum ersten Mal seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1929 – ein japanischer Außenminister erwartet. Während seines viertägigen Aufenthalts in der kubanischen Hauptstadt soll der Vertreter Tokios mit Wirtschaftspolitikern und seinem Amtskollegen Bruno Rodríguez zusammentreffen. Am 11. Mai gibt es bereits die nächste historische Visite. Aus Paris hat sich für diesen Tag François Hollande zum ersten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in der sozialistischen Karibikmetropole angekündigt. Details dau hatte Rodríguez am Montag vergangener Woche in Paris zunächst mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius vorbesprochen und war noch am gleichen Tag im élysée-Palast auch von Hollande empfangen worden.
Der französische Außenminister forderte die USA erneut zur schnellen Beendigung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba auf. Frankreich habe sich dieser US-amerikanischen Politik immer und unablässig entgegengestellt, erklärte Fabius auf einer Pressekonferenz.
Noch nicht terminiert ist ein offizieller Besuch von US-Außenminister John Kerry in der sozialistischen Hauptstadt. Kerry will es sich nicht nehmen lassen, nach einer etwaigen Einigung dort persönlich die US-Botschaft einzuweihen. Noch steht dem allerdings vor allem die nach wie vor existierende Blockade gegen Kuba im Weg.
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Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 27.04.2015