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Bumerang Menschenrechte
Kuba kritisiert Situation in USA und in Ländern unter deren Einfluss. US-Wirtschaft entwickelt »Strategien zur Eroberung des kubanischen Marktes«.
Kuba ergreift die Initiative für den Dialog über Menschenrechte mit den USA. Am kommenden Dienstag wollen Vertreter beider Länder in Washington offizielle Gespräche zu diesem Thema aufnehmen. Wie der stellvertretende Leiter der Abteilung für Multilaterale Angelegenheiten und Völkerrecht des kubanischen Außenministeriums, Pedro Luis Pedroso, am Donnerstag (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz mitteilte, hat die US-Regierung den von Havanna vorgeschlagenen Termin bestätigt. Er wies darauf hin, dass bilaterale Gespräche über dieses Thema von kubanischer Seite bereits im Juli vergangenen Jahres angeregt worden waren. Im Rahmen der Verhandlungen über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen seien die Vertreter Havannas dann erneut darauf zurückgekommen.
»Unser Land erwartet, dass die Gespräche in einer konstruktiven Umgebung ohne Vorbedingungen und diskriminierende Behandlung sowie auf der Basis des gegenseitigen Respekts, der souveränen Gleichheit, der Unabhängigkeit und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Partner stattfinden«, erklärte Pedroso. Er schlug zudem vor, dass »jede Ar von Menschenrechten für alle Personen« zum Thema gemacht werden sollten. Der Vertreter des Außenministeriums kündigte an, dass Kuba in diesem Zusammenhang nicht nur eine Erfolgsbilanz der Verwirklichung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Menschenrechte im eigenen Land, sondern auch seine Leistungen für den Schutz von Menschenrechten in Bereichen wie Gesundheit und Bildung für die Völker in vielen Nationen der Welt präsentieren werde. Pedroso räumte ein, dass die sozialistische Karibikinsel sich nicht als perfekt betrachte und eine Reihe grundlegender Aufgaben in Bezug auf die Menschenrechte noch nicht erfüllt habe. Die unbestreitbaren Leistungen des Landes würden aber vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen regelmäßig anerkannt. Er wies darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft die Erfolge der Kubaner in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Gleichberechtigung und Zugang zu kulturellen Rechten ebenso als beispielhaft würdige wie das Engagement für diese Ziele in anderen Ländern.
Vor den Vertretern der internationalen Presse in Havanna führte Pedroso aus, dass er in dem Dialog mit Washington auch eine Verpflichtung sehe, Kubas Besorgnis über die Situation der Menschenrechte in den USA und in einer Reihe anderer Länder, die unter deren Einfluss stünden, anzusprechen. Er deutete an, dass vor allem in den von den USA okkupierten Staaten die Menschenrechtssituation alarmierend sei. »Die Gespräche sind ein Beweis für die Bereitschaft Kubas, unabhängig von unseren Differenzen mit den USA auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit zu verhandeln«, fügte er hinzu. Auf Fragen von Journalisten nach bürgerlichen und politischen Rechten antwortete Pedroso, Kuba vertrete den Standpunkt, dass es unterschiedliche Modelle und Konzepte von Demokratie in der Welt gäbe – nicht nur ein einziges, das für alle anderen der obligatorische Bezugspunkt sei. Die internationale Gemeinschaft erkenne zudem das Recht eines jeden Landes auf das politische System an, das seinen Besonderheiten sowie den wirtschaftlichen und sozialen Vorstellungen entspricht. »Wir leben in einer pluralistischen Welt und sind der Überzeugung, dass diese Pluralität auch im Fall Kubas respektiert werden muss«, betonte Pedroso.
In den USA gelten jedoch andere Ziele und Prioritäten al in Kuba. Während in Havanna der m Dienstag beginnende Dialog über die Menschenrechte im Vordergrund stand, kündigten US-Medien für Mittwoch ein Top-Event in New York zum Thema »Der Kuba-Chancen-Gipfel: Das Hochgeschwindigkeitswachstum« an. Der Untertitel verspricht Tipps für die »Entwicklung von Strategien zur Eroberung des kubanischen Marktes«. Trotz Preisen von 1.495 bis 1.695 Dollar pro Teilnehmer ist das Treffen der Eliten aus Politik, Wirtschaft und Finanzwelt bereits seit Tagen ausgebucht. Als Star-Rednerin konnte Roberta Jacobson gewonnen werden. Die Abteilungsleiterin für Lateinamerika im US-Außenministerium führt normalerweise die Verhandlungen übe die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba, bei denen die Menschenrechte ansonsten ein Lieblingsthema der Abgesandten aus den USA sind. Im eigenen Land steht – wie Jacobsons Terminkalender zeigt – jedoch eine andere Agenda derzeit höher im Kurs.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.03.2015