Nachrichten aus und über Kuba
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Die Freiheit reicher Leute
Vor dem Amerikagipfel im April macht die Interamerikanische Pressegesellschaft gegen progressive und linke Regierungen auf dem Kontinent Stimmung.
Die privaten Medienbesitzer Lateinamerikas sorgten sich auf der Halbjahresversammlung ihrer Dachorganisation »Sociedad Interamericana de Prensa« (SIP), die vom 6. bis 9. März im Hilton-Hotel von Panama stattfand, traditionsgemäß um die Pressefreiheit. Wie üblich klagten sie Länder mit linken oder progressiven Regierungen wie Kuba, Venezuela, Ecuador, Bolivien, Nicaragua und Argentinien an.
Doch etwas war in diesem Jahr anders. Schon in naher Zukunft erwarten die in der »Interamerikanischen Pressegesellschaft« organisierten Unternehmer offenbar ein anderes Amerika. »¿Una nueva América?« (Ein neues Amerika? – jW) lautete jedenfalls die Fragestellung einer Podiumsdiskussion auf ihrer Tagung. Durch die Annäherung zwischen den USA und Kuba entstünden neue Szenarien, ideologische Gegensätze würden abgebaut, Venezuela verliere an Einfluss, Kolumbien gewinne an Bedeutung, und »die Kubaner« warteten darauf, »individuelle Freiheit genießen zu können«, hieß es in der Ankündigung, der das Versprechen folgte: »Im April wird der Amerikagipfel die noch offenen Fragen dazu klären.« Über ihre Erwartungen an das in zwei Wochen am gleichen Ort geplante Gipfeltreffen aller 35 Länder des Kontinents diskutierte auf dem Podium eine Runde von vier Vertretern des rechten Randes. Neben Enrique Santos, dessen Familie zu den bedeutendsten Medienbesitzern Kolumbiens gehört, und dem Chefredakteur seiner Tageszeitung El Tiempo, Roberto Pombo, verbreiteten auch der Herausgeber der venezolanischen Tageszeitung El Nacional und Anführer der Oppositionsgruppe »Movimiento 2D«, Miguel Henrique Otero, sowie die kubanische Systemgegnerin Yoani Sánchez ihre Vorstellungen von »freien Medien in Lateinamerika«.
Der Medienunternehmer Otero, der sich zugleich als Oppositionspolitiker versteht, ist in mehrere Korruptionsaffären verwickelt. Im Jahr 2008 wurde ihm vorgeworfen, an Putschvorbereitungen gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez beteiligt gewesen zu sein. Die Bloggerin Yoani Sánchez, deren jahrelange Verbindungen zu US-Diensten durch Wikileaks-Veröffentlichungen dokumentiert sind, wurde im November 2012 von der SIP zur »Vizepräsidentin der Kommission für Presse- und Informationsfreiheit« gekürt.
Die SIP, die ihren Hauptsitz in Miami hat, vertritt die Eigentümer von rund 1.300 Publikationen des Kontinents. Die tatsächliche Macht ist allerdings auf wenige Konzerne konzentriert. In Lateinamerika beruht die Medienkonzentration vor allem auf Vorteilen, die private Unternehmer durch Unterstützung von Diktaturen erlangt haben. Der Verband war Mitorganisator faschistischer Staatsstreiche wie etwa des Putsches gegen die Regierung Salvador Allendes 1973 in Chile. SIP-Vertreter unterstützten die Pinochet-Diktatur ebenso wie Terror und Folterungen der Militärjunta in Argentinien. Auch an den versuchten Staatsstreichen gegen die Präsidenten Hugo Chávez von Venezuela (2002) und Rafael Correa von Ecuador (2010) waren Pressezaren als Drahtzieher und Helfer auf seiten der Putschisten beteiligt.
Auf dem Amerikagipfel in Panama wollen sie jetzt Kuba und Venezuela aufs Korn nehmen. Am 18. März klagte die SIP auf einer Anhörung der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) in Washington darüber, dass »in verschiedenen Ländern Lateinamerikas regierungsfreundliche Medienoligopole« existierten. Und in Kuba bestünde »seit 56 Jahren ein von den Brüdern Raúl und Fidel Castro kontrolliertes Medienmonopol«, zitiert die spanische Nachrichtenagentur EFE die Vorwürfe weiter. Einen Tag später griff die SIP-Vertreterin Yoani Sánchez das Thema erneut auf, als sie per Video aus Havanna einer Konferenz in der Florida International University (FIU) zugeschaltet wurde. Sie kündigte ihre Teilnahme am Amerikagipfel »als Journalistin und Vertreterin der kubanischen Zivilgesellschaft« an. Zugleich machte sie deutlich, dass dort der Auftakt zu einer breit angelegten Kampagne geplant ist. »Panama ist ein Schlachtfeld, ist eine Tribüne, aber nicht der Höhepunkt und nicht das Ende«, zitierte die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald Sánchez Aussagen.
Was sie will, aber nicht sagt, wurde am Rand der Gespräche zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA demonstriert. Ende Januar, nach der ersten Verhandlungsrunde in der kubanischen Hauptstadt, hatte US-Delegationsleiterin Roberta Jacobson auch zahlreiche von den USA bezahlte »unabhängige Journalisten« zu ihrer Pressekonferenz in Havanna eingeladen, die dort – Augenzeugen zufolge – mehr Fragen stellten als die akkreditierten Pressevertreter. Anders verlief die Pressekonferenz im US-Außenministerium Ende Februar nach der zweiten Runde in Washington. Dort versuchte Sergio Alejandro Gómez, Auslandsredakteur der kubanischen Parteizeitung Granma, vergeblich eine Frage zu stellen. »Doch statt seiner wurden zahlreiche andere Reporter aufgerufen«, berichtete die Washington Post am 28. Februar und kritisierte: »An diesem für kubanische Medien so wichtigen Tag konnten die Kubaner auf der offiziellen Pressekonferenz keine Fragen stellen.« Vertreter alternativer US-Medien wie Democracy Now und andere waren gar nicht erst zugelassen worden. Für Journalisten im Westen ist das nichts Neues. Fast genau 50 Jahre zuvor, am 5. März 1965, schrieb der deutsche Journalist Paul Sethe: »Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Frei ist, wer reich ist.«
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 26.03.2015