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»Der Vorwurf dient politischer Illegitimierung«
Kuba verlangt bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten, von der US-Terrorliste gestrichen zu werden. Ein Gespräch mit Norman Paech.
Norman Paech ist emeritierter Professor für Völkerrecht an der Universität Hamburg. Von 2005 bis 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke.
In den Verhandlungen zwischen Kuba und den USA, gibt es eine Reihe Knackpunkte. So fordert Kuba von der US-Liste der Staaten gestrichen zu werden, die angeblich den Terrorismus unterstützen. Welchen Zweck erfüllt diese Aufstellung?
Der Vorwurf des Terrorismus dient der politischen Illegitimierung einer Regierung, und die Liste liefert den Vorwand, um Blockademaßnahmen gegen einen Staat durchführen zu können. Regierungen oder Organisationen, die man als terroristisch bezeichnet, werden aus dem Kreis derjenigen ausgeschlossen, mit denen man verhandeln kann.
Erklärte US-Präsident George W. Bush Kuba deshalb zu einem Schurkenstaat?
Ja, aber die Liste enthält einen viel schärferen Vorwurf, denn ein Terrorist ist gefährlicher als ein Schurke. Diese Kennzeichnung ist das Mittel, um jemanden zu illegalisieren und die eigenen völkerrechtswidrigen Aktivitäten – und nichts anderes ist die US-Blockade gegen Kuba – dadurch zu legitimieren.
Welche Folgen hat es, auf dieser Liste zu stehen?
Sie wird von US-Behörden auch als Begründung genutzt, um über Banken, die Geschäftsbeziehungen zu Kuba pflegen, Bußgelder in Millionenhöhe zu verhängen. Völkerrechtlich hat die Liste keine Relevanz, faktisch ist sie für Kuba aber eine permanente Bedrohung. Es ist allerdings absurd, dass die USA jetzt diplomatische Beziehungen zu einem Land aufnehmen wollen, dem sie die Förderung des Terrorismus vorwerfen. Das ist auch für die USA ein Problem. Die Streichung von dieser Liste ist meiner Ansicht nach eine notwendige Voraussetzung zur Aufhebung der Blockade, die ja vom Kongress beschlossen werden muss.
Kuba verlangt auch, dass die USA sich zur Einhaltung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen verpflichten. Was besagt dieser Vertrag?
In ihm werden minutiös alle Rechte und Pflichten der diplomatischen Vertretungen aufgezählt. Es ist sozusagen die Charta aller diplomatischen Beziehungen und beschreibt die Grundlagen des Umgangs miteinander.
Diplomaten dürfen sich danach nicht in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes einmischen.
Ja, aber das ist wohl nicht der Grund dafür, dass die kubanische Seite das Wiener Übereinkommen so stark betont. Es ist bekannt, dass in den Botschaften auch Mitarbeiter der Geheimdienste tätig sind. Von US-Vertretungen werden in vielen Ländern subversive Aktionen gegen legitime Regierungen organisiert, angeleitet und kontrolliert. Das ist illegal, geschieht aber trotzdem.
Ich vermute, dass es Kuba eher um die Rechte ihrer eigenen Diplomaten in den USA geht. So ist etwa im Artikel 26 des Wiener Übereinkommens geregelt, dass der Empfangsstaat allen Mitgliedern der Mission – außer in militärischen oder sonstigen Sperrgebieten – die volle Bewegungs- und Reisefreiheit in seinem Hoheitsgebiet gewähren muss. Das garantiert die volle Kommunikations- und Berichtsmöglichkeit ohne Einschränkung durch US-Behörden.
Nutzt das nicht eher den Plänen der USA zum »Regime Change«?
Die Kubaner sind nicht blauäugig. US-Agenten tummeln sich dort doch schon jetzt, wie der Fall Alan Gross zeigt. Er ist ein Spion, der erwischt wurde, aber viele andere agieren unentdeckt weiter. Daran wird sich durch die Eröffnung von Botschaften nicht viel ändern. Auf der anderen Seite wird es nur so gelingen, wichtige Fragen, wie die Beendigung der Blockade oder die Rückgabe von Guantánamo, anzugehen.
Für wie realistisch halten Sie die Durchsetzung dieser Forderungen?
Das Ende der Blockade ist das wichtigste Ziel, das von nahezu allen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen unterstützt wird. Der US-Kongress wird sich nicht auf Dauer gegen den Rest der Welt stellen können. Die Basis in der Bucht von Guantánamo ist ein Überbleibsel des Kolonialismus, und das dortige Gefängnis verstößt gegen Menschen- und Völkerrecht. Die Forderung nach Rückgabe des Territoriums an Kuba ist berechtigt. Der Pachtvertrag von 1934 verlangt aber die Zustimmung beider Staaten. Notwendig sind also internationaler Druck und geschicktes Verhandeln.
Veröffentlichung |
Interview: Volker Hermsdorf
junge Welt, 05.03.2015