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Zankende Damen in Weiß
Von den USA gehegte Gruppe von kubanischen Systemgegenrn zerlegt sich im Streit selbst.
Die im Jahr 2003 nach der Verhaftung von rund 70 Konterrevolutionären in Kuba unter dem Namen »Damas de Blanco« (Damen in Weiß) gegründete Gruppe von Systemgegnerinnen demonstriert innerhalb und außerhalb der sozialistischen Karibikinsel ihr Verständnis von Demokratie. Nach einem »abscheulichen Akt der Verstoßung«, der sich gegen die Mitbegründerin Alejandrina García de la Riva richtete, forderten 16 im Exil lebende »Damas« am Dienstag den Rückrtritt ihrer Chefin Berta Soler und die Wahl einer neuen Anführerin.
Der Vorstoß ist die Reaktion auf ein im Internet verbreitetes Video, das einen Angriff schreiender Frauen auf de la Riva am 16. Dezember 2014 im Treffpunkt der Gruppe in Havanna zeigt. Nach einer Kontoverse war de la Riva dort beschimpft und mit Rufen wie »Nieder mit der Verräterin« und »Raus mit ihr« zum Verlassen des Hauses gedrängt worden. dies sei ein Verhalten dass »Kommunisten oder Faschisten« praktizierten, nicht aber »Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte«, kritisierten die Gegner Solers am Dienstag in einem Beitrag der in Miami erscheinenden Tageszeitung Nuevo Herald. Nachdem die Chefin der »Damas« den Vorfall gerechtfertigt und einen Rücktritt kategorisch abgelehnt hatte, stellten deren Kritiker ihre Legitimität generell in Frage. Niemand wisse, wie sie nach dem Tod ihrer Vorgängerin Laura Pollán zu ihrem Posten gekommen sei, eine Wahl habe nie stattgefunden, heißt es in dem Zeitungsartikel.
Das von den US-Diensten NED und USAID finanzierte Onlineportal Diario de Cuba, das von Madrid aus Contra-Propaganda verbreitet, gab sich besorgt und rief die zerstrittenen »Damas« am Mittwoch in einem Leitartikel zur Ordnung. Zwei Monate vor dem Amerikagipfel am 11. und 12. April in Panama müsse die kubanische Opposition sich »auf das Wichtigste konzentrieren«, forderte das antikommunistische Organ. Auf dem Gipfel, bei dem auch die erste offizielle Begegnung der Präsidenten Raúl Castro (Kuba) und Barack Obama (USA) erwartet wird, will Washington Kuba vor aller Welt als »Diktatur« vorführen. Dazu möchten die US-Strategen und ihre Gefolgsleute eine »kubanische Zivilgesellschaft« aufmarschieren lassen, zu der aus ihrer Sicht auch die »Damas de Blanco« gehören. Diario der Cuba appellierte an die Kontrahentinnen, sich dort als »einig« und als »Alternative zum Regime« zu präsentieren. Medienberichte über interne Streitereien seien nicht hilfreich.
Viel Erfolg dürfte das Organ mit seinem Appell wohl nicht haben, denn mit dem jüngsten Konflikt setzt sich der seit Jahren anhaltende Verfallsprozess der Dissidentengruppe fort. Meist geht es bei den Zankereien um die Verteilung der aus den USA erhaltenen Geldbeträge oder um die selbstherrlichen Auftritte von Berta Soler. Zum letzten großen Eklat war es im September vergangenen jahres gekommen, als sich 34 Mitglieder in Santiago de Cuba und kurz darauf ein Dutzend »Damas« in Havanna von der Gruppe abgespalten hatten. Einige der Abtrünnigen offenbarten danach Interna und erklärten, sich missbraucht und ausgenutzt zu fühlen. Hinter den Kulissen gehe es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern nur um Geld, Privilegien und Macht, erklärten sie.
Vor allem Berta Soler wird durch ihre unkontrollierbaren Auftritte zunehmend zur Belastung für die Contra-Bewegung und deren Finanziers in den USA. Dort war sie Anfang Februar von Obama-Gegnern der Republikanischen Partei in den Kongress eingeladen worden. Nachdem die Chefdame ihre rechtsgerichteten Zuhörer zunächst mit der Bemerkung »Ich bin eine antikommunistin, aber keine Antiimperialistin« und der Ablehnung des von Castro und Obama eingeleiteten Normalisierungsprozesses begeistert hatte, legte sie noch eine Schippe drauf. Als Beispiel für die »Verletzung der Menschenrechte in Kuba« hielt sie der »Castro-Regierung« vor, die »Kinderprostitution zu fördern«. Mit der Entgleisung disqualifizierte sich Soler als Vertreterin der »kubanischen Zivilgesellschaft«, die Washington der Welt in Panama als Kronzeugin gegen das Castro-Regime präsentieren möchte. Die unbewiesene Unterstellung, dass Repräsentanten der Regierung die Kinderprostitution förderten, erfüllt zudem - nicht nur in Kuba - den Straftatbestand der Verleumdung. Dass die Behörden in Havanna bislang keine Anklage gegen Soler erhoben haben, lässt Kubas Rechtssystem vor der Welt einmal mehr eher tolerant und großzügig als repressiv aussehen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 20.02.2015