Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
Preiswert und zeitsparend
Produktion von Biogas erleichtert Alltag in kubanischen Dörfern.
Die kubanische Landärztin Arianna Toledo benötigt für die Zubereitung der Mahlzeiten nur noch die Hälfte der Zeit, seit die Familie eine Biogasanlage besitzt. In der Ortschaft Cuatro Esquinas im Gemeindebezirk Los Arabos, rund 150 Kilometer von der Hauptstadt Havanna entfernt, sind insgesamt 21 solcher Anlagen im Einsatz, die Gülle, Haushaltsabfälle und vor allem Schweinedung zu Energie vergären. 300 sind es in der Provinz Matanzas, in der Los Arabos liegt. Hinter der Neuerung steckt die kirchliche Hilfsorganisation Centro Cristiano de Reflexión y Diálogo-Cuba (CCRD-C), die in der Stadt Cárdenas ihren Sitz hat. Ihr geht es vor allem darum, die Lebensbedingungen der Landbevölkerung und insbesondere der Frauen mit Hilfe praktischer und umweltfreundlicher Lösungen zu verbessern.
Toledo freut sich besonders über die Zeitersparnis. »Und dann geben wir natürlich weniger Geld für anderen Strom aus«, sagt sie. Hinzu kämen die ökologischen Vorteile. Wie ihr Mann, Carlos Alberto Tamayo, berichtet, wird der Nachschub an organischem Gärmaterial vor allem durch Schweinedung gesichert. Die Familie besitzt wie viele kubanische Haushalte mehrere Schweine. »Mit dem, was nach den Gärvorgang übrigbleibt, düngen wir unser Gemüse und unsere Obstbäume«, berichtet Tamayo, ein Pastor in der 2.300-Seelen-Gemeinde.
Mit Mitteln der internationalen Zusammenarbeit fördert das CCDR-C seit über 15 Jahren den Einsatz von Biogasanlagen. Derzeit wird die nationale Stromnachfrage zu 4,3 Prozent mit erneuerbaren Energien gedeckt. Noch ist das Land allerdings gezwungen, 53 Prozent seiner genutzten fossilen Energieträger zu importieren.
Das Zentrum zur Förderung und Entwicklung von Biogas des staatlichen Forschungsinstituts für Schweinezucht arbeitet derzeit an Plänen, die den Einsatz von Biodigestoren in Staatsunternehmen und Bauernkooperativen voranbringen soll. Im letzten Jahr hatte das Zentrum 1.000 solcher Anlagen installiert. Im Fall der Staatsbetriebe profitierten 4.000 und im Fall der Genossenschaften sogar 8.000 Menschen. Vorgesehen ist die Herstellung weiterer 1.000 Biogasanlagen bis zum Jahr 2020. Unterstützung kommt vom Landwirtschaftsministerium und der staatlichen Nationalen Vereinigung der Kleinbauern, die auf Finanzmittel eines UN-Spendenprogramms zurückgreifen können.
Wie CCDR-C-Chefin Rita María García erläutert, ist Biogas ein wunderbarer Brennholz-, Kerosin- und Erdölersatz. Die Zeit, die die Frauen weniger am Herd stünden, könnten sie für lukrativere Tätigkeiten wie die Viehzucht oder Landwirtschaft verwenden. CCRD-C-Generalkoordinator Juan Carlos Rodríguez macht darauf aufmerksam, dass seine Organisation den Dorfbewohnern zeige, wie die Gäranlagen angelegt, betrieben und und instandgehalten werden. Ebenso vermittle sie den Bauern, wie sie die Rückstände der Biogasproduktion als Dünger für die Landwirtschaft verwenden können. Aber auch Wiederaufforstungsmaßnahmen und der Einsatz von Windmühlen stehen auf dem Programm.
Ein weiterer Vorzug der Biodigestoren: Sie stellen eine sinnvolle Alternative zur Entsorgung der in der Schweinezucht anfallenden kontaminierten Rückstände dar. 2013 wurden im Land 16,7 Millionen Schweine gezählt, die sich zu 65 Prozent in Privatbesitz befinden. Auf Kuba ist Schweinefleisch das am meisten verzehrte Fleisch, und die Schweinezucht wird sowohl von Privatproduzenten als auch von genossenschaftlich organisierten Familien betrieben. Das ist einer der Hauptgründe, warum das kubanische Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt die Installation von Biogasanlagen vorantreiben will, die bereits Anfang der 1980er Jahren erstmals in Kuba eingeführt wurden. Untersuchungen zufolge verfügt Kuba über ein jährliches Biogaspotential von 700 Gigawatt pro Stunde, durch das sich die CO2-Emissionen um mehr als drei Millionen Tonnen und die Erdölimporte um 190.000 Tonnen Erdöl verringern lassen. (IPS/jW)
Veröffentlichung |
Ivet González
junge Welt, 20.02.2015