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Innenansichten von Havanna
Volker Hermsdorf stellt die kubanische Hauptstadt vor.
Volker Hermsdorf ist Lesern der jungen Welt bekannt als regelmäßiger Autor und Kuba-Kenner. Daneben arbeitet er auch noch für einige Zeitschriften und Internetportale. Nach seinem gemeinsam mit Hans Modrow verfassten Gesprächsband »Amboss oder Hammer« (jW berichtete) ist nun das Buch »Havanna. Kultur – Politik – Wirtschaft« erschienen.
Bei diesem schmalen, nur rund 100 Seiten umfassenden Band handelt es sich nicht um einen traditionellen Reiseführer, auch wenn der Titel dies vermuten lässt. Hermsdorf stellt vielmehr Facetten der kubanischen Hauptstadt vor, die Touristen oft nicht entdecken. Wenn er von den Diskussionen über die »Aktualisierung« des kubanischen Wirtschaftssystems oder die Renovierung der Altstadt von Havanna berichtet, spürt der Leser, warum Hermsdorf diese Stadt seit 1982 zur zweiten Heimat geworden ist. Es ist ein Buch, das schon aufgrund seines Umfangs wunderbar in das Handgepäck von Kuba-Reisenden passt, um sich auf die Landung in einer »anderen Welt« – wie es Hermsdorf wiederholt formuliert – vorzubereiten.
Einen Reiseführer ersetzt das Büchlein trotzdem nicht, denn der Autor sieht »seine« Stadt inzwischen eher mit den Augen eines Kubaners als mit denen eines Besuchers. Wenn sich ein Tourist, angeregt von seiner Beschreibung, auf den Weg in die legendäre Eisdiele Coppelia macht, deren extrem günstiges Eis Hermsdorf hervorhebt, erwartet den Besucher die Überraschung, sich entweder in eine lange Schlange einreihen zu müssen – oder für konvertible Pesos in der Touristenabteilung zu speisen. Hier wären Tipps schön gewesen.
Die 22 Kapitel entsprechen im wesentlichen den Artikeln, die Hermsdorf in der Zweiwochenzeitschrift Ossietzky veröffentlicht hat. Das wird allerdings erst im Nachwort etwas verschämt eingeräumt. Es wäre besser gewesen, das Buch gleich als Nachdruck zu präsentieren – denn so wird klar, warum Hermsdorf innerhalb von wenigen Seiten mehrfach dasselbe Ereignis beschreibt, etwa die Schändung des José-Martí-Denkmals in Havanna durch US-Soldaten, die im vorrevolutionären Kuba wütende Proteste ausgelöst hatte. Bei zwei verschiedenen Artikeln, die in unterschiedlichen Nummern einer Zeitschrift erscheinen, kommt das vor. Trotzdem ist Volker Hermsdorfs Havanna-Buch eine spannende Lektüre. Wer noch nie in der kubanischen Hauptstadt war, wird neugierig auf sie. Wer sie schon einmal oder mehrfach besuchen konnte, vergleicht seine eigenen Erlebnisse mit den Beschreibungen in dem Buch. Und wer gerade im Flugzeug auf dem Weg nach Kuba sitzt, bekommt noch mehr Lust auf das bevorstehende Abenteuer. Die zehn Euro, die der Band kostet, sind gut investiertes Geld.
Volker Hermsdorf: Havanna. Kultur – Politik – Wirtschaft; Ossietzky Verlag GmbH, Dähre 2015, 108 Seiten, 10 Euro
Buchvorstellung mit Volker Hermsdorf, Botschafter a. D. Heinz Langer und Katrin Kusche (Redaktion Ossietzky) am 4. Februar, 19 Uhr, in der jW-Ladengalerie, Torstr. 6, Berlin
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 02.02.2015