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Schritte im Gestrüpp

»El Chinos« kubatypische Biographie: Eduardo Heras León erhält im Februar in Havanna den Nationalpreis für Literatur.

Eduardo Heras León im Kreise seiner Schriftstellerkollegen
Eduardo Heras León (r.) als junger Mann im Kreise seiner Schriftstellerkollegen Germán Piniella und Víctor Casaus sowie Liedermacher Silvio Rodríguez (sitzend v.l.n.r.)
Foto: Segunda Cita/ blog de Silvio Rodríguez


Das Kubanische Buchinstitut hat bekanntgegeben, wer im Rahmen der Internationalen Buchmesse in Havanna den Nationalpreis für Literatur erhalten wird. Die Wahl fiel auf den Schriftsteller und Journalisten Eduardo Heras León. Der 74jährige wird die höchste literarische Auszeichnung des Landes am 15. Februar im Saal Nicolás Guillén der historischen Festungsanlage Cabañas am Hafen der Hauptstadt entgegennehmen. Gewürdigt werde das hohe Niveau seiner Arbeiten, teilte die Jury zur Begründung mit, und unterstrich Heras Leóns Bedeutung als Gegenwartsschriftsteller sowie seinen Beitrag zur Förderung junger kubanischer Erzähler. Die Biographie des Nationalpreisträgers ist typisch für Kuba. Schuhputzer, Losverkäufer, Bäcker, Milizionär, Kanonier, Metallarbeiter, Journalist, Ballettkritiker, Hochschullehrer und Schriftsteller sind nur einige Stationen seiner Laufbahn.

Als Heras León 1978 an der Universität von Havanna Hochschulabschlüsse in Journalismus und Philologie erwarb, konnte er bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken, in dem sich schon früh sein Talent zum Schreiben gezeigt hatte. Geboren am 5. August 1940 in Havanna, musste er sich nach dem Tod des Vaters als Zwölfjähriger in den Straßen der Hauptstadt durchschlagen. Er putzte Schuhe, verkaufte Zeitungen und Lotterielose. Gleichwohl wurde er in diesem Alter erstmals für seine literarische Begabung ausgezeichnet. Bei einem Schreibwettbewerb zum Thema »Martí und die Kinder« erhielt der junge Eduardo den ersten Preis.

Später unterstützte Heras León die revolutionäre »Bewegung des 26. Juli« und beteiligte sich an Studentenprotesten gegen die Batista-Diktatur. Nach dem Sieg der Revolution arbeitete er kurze Zeit als Lehrer in der Schule »Oscar Lucero Moya« im Arbeiterviertel Mantilla, ließ sich dann aber in den revolutionären Streitkräften »Fuerzas Armadas Revolucionarias de Cuba« (FAR) als Artillerist ausbilden und beteiligte sich an der Niederschlagung der von US-Diensten initiierten Invasion in der Schweinebucht. Die dabei gewonnenen Erfahrungen und Erlebnisse verarbeitete »El Chino« in seinem ersten größeren Werk »La guerra tuvo seis nombres« (Der Krieg hatte sechs Namen), für das er 1968 den Hauptpreis im »Premio David« des Schriftsteller- und Künstlerverbandes UNEAC, einem der bedeutendsten Literaturwettbewerbe Kubas, erhielt. In den folgenden zwei Jahren lehrte Heras León als Dozent für amerikanische Geschichte an der Universität Havanna.

Sein 1970 veröffentlichtes Buch »Los pasos en la hierba« (Schritte im Gestrüpp) erschien in einer Zeit heftiger Auseinandersetzungen zwischen Schriftstellern und politischer Führung und trug seinen Teil zu mitunter polemischen Diskussionen über die »proletarischen Aufgaben« der Kulturschaffenden bei. Seit der im Jahr 1990 erschienenen zweiten Auflage wird das Werk unbestritten zu den Klassikern der modernen kubanischen Literatur gezählt. Während der scharfen ideologischen Auseinandersetzungen hatte Heras León sich allerdings von der Hochschule zurückgezogen und arbeitete unter anderem als Bäcker und Schmied.

1976 meldete er sich in der literarischen Szene des Landes mit dem Band »Acero« (Stahl) zurück, gesammelte Erzählungen über seinen Alltag als Metallarbeiter. Kritiker lobten den »Realismus und die sprachliche Ausdruckskraft« dieser Erzählungen wie vieler weiterer Werken, für die Heras León zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Über die Jahrzehnte machte er sich in Kuba zudem als kenntnisreicher Musik-, Tanz- und Ballettkritiker einen Namen.

Die 24. Internationale Buchmesse wird am 12. Februar in der historischen Festungsanlage »Fortaleza de San Carlos de La Cabaña« eröffnet. Elf Tage lang wird es eine Vielzahl von Veranstaltungen überall in Havanna geben. Anschließend tourt die Messe wie in den Vorjahren durch alle Provinzen des Landes. Gewidmet ist die 24. Auflage der Schriftstellerin Olga Portuondo Zúñiga sowie dem Schriftsteller und Saxophonisten Leonardo Acosta. Gastland ist in diesem Jahr Indien.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 20.01.2015