Nachrichten aus und über Kuba
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Kuba baut vor
Schrittmacher Tourismus: Havanna verfolgt ehrgeizige Entwicklungsziele. Größter potentieller Markt vor der Haustür.
Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis US-Amerikaner in großer Zahl an Kubas Stränden landen. Die neue Politik des Weißen Hauses einer Lockerung der bereits mehr als 52 Jahre andauernden wirtschaftlichen Blockade und die angekündigte Wiederaufnahme der 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Havanna und Washington werden auch den bilateralen Reiseverkehr weiter beleben. Zwar bleiben US-Bürgern rein touristische Reisen noch verboten. Die zwölf festgelegten Genehmigungsgründe für einen Besuch in Kuba – darunter familiäre, berufliche, Bildungs- oder religiöse Motive – sollen von den US-Behörden jedoch großzügig ausgelegt werden. Bereits zuvor scherten sich viele US-Touristen nicht um das Verbot und sahen sich die »Perle der Antillen« aus der Nähe an. Sie kamen via Mexiko oder über die Bahamas und verließen das Land nach ihrem Urlaub ohne Stempel im Pass, da die kubanischen Grenzbeamten ihren US-Kollegen keine Amtshilfe beim Aufspüren nicht legal reisender Besucher leisteten. Am 21. Januar wird die Vize-Außenministerin und Lateinamerika-Beauftragte der US-Regierung, Roberta Jacobson, mit einer Delegation in Kubas Hauptstadt Havanna erwartet. Es ist der ranghöchste Besuch aus Washington seit der kubanischen Revolution 1959. Neben Fragen der Migrationspolitik dürften auch weitere Punkte, das bilaterale Verhältnis betreffend, auf der Agenda stehen. Während die Obama-Administration anscheinend das »Castro-Regime« nach dem Prinzip »Wandel durch Annäherung« außer Kraft zu setzen versucht, möchte Kuba seine außenpolitischen Erfolge nutzen, um die eigene ökonomische Lage zu verbessern.
Ausbau der Kapazitäten
Der sozialistische Inselstaat bereitet sich längst auf eine Touristeninvasion aus dem Norden vor. Während der zurückliegenden Tourismusmesse FitCuba 2014 stellte Kubas dafür zuständige Minister, Manuel Marrero, Pläne für diesen wichtigen Wirtschaftssektor des Landes vor. Die Hotelkapazitäten werden mittelfristig beträchtlich ausgebaut. Allein bis 2017 sollen demnach 14.000 Zimmer hinzukommen, vor allem in Havanna, in Varadero – dem am meisten frequentierten Badeort Kubas, in Camagüey sowie auf den Inselketten an der Nordküste, Jardines del Rey und Cayos de Villa Clara. An den Projekten beteiligt sind internationale Hotelketten wie Melía, Iberostar oder Occidental Hotel & Resorts. Golfplätze entstehen, Yachthäfen werden ausgebaut, nautische Clubs gegründet, Tauchplätze erschlossen. Ein im vergangenen Jahr in Kraft getretenes Investitionsgesetz soll mit Steuervergünstigungen ausländisches Kapital anziehen. Zugleich wird im Zuge der begonnenen Reformen zur Steigerung der Produktivität und zur »Aktualisierung« des Wirtschaftssystems, auch verstärkt auf Privatinitiative, vor allem im Dienstleistungssektor, gesetzt. Im Gast- und Beherbergungsgewerbe entwickeln sich die qualitativen Standards deutlich nach oben. Schicke neue Bars und Restaurants ziehen auch zahlungskräftige Einheimische an. Hier, wie in allen besseren Geschäften, gilt die an den Dollar gekoppelte konvertible Zweitwährung CUC.
Kuba als Reiseziel muss sich mit den anderen beliebten Urlaubsländern des karibischen Archipels wie der Dominikanischen Republik oder Jamaika messen. Angestoßen durch die schwere ökonomische Krise, die Kuba nach 1991 durchleiden musste, wurde die touristische Infrastruktur rasant entwickelt. Mit Erfolg: Ausländische Gäste sind für das Land einer der wichtigsten Devisenbringer. Die Besucherzahlen nähern sich der Drei-Millionen-Marke pro Jahr. Erster Kundenmarkt ist Kanada, gefolgt von Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Das große kulturelle Erbe, die gastfreundlichen und gebildeten Menschen sowie die Sicherheit zählen neben den Traumstränden zu den Hauptattraktionen. Besonders beliebt sind Rundreisen, und auch die Nachfrage nach Angeboten im Natur- und Gesundheitstourismus wächst. Neun historische Altstädte wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Darunter auch die von Camagüey. Das 500 Jahre alte Zentrum der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Südosten des Landes mit seinen verwinkelten Gassen und unzähligen Kirchen hat sich herausgeputzt. Hier spielt der Tourismus für den Erhalt und die Entwicklung von Bausubstanz und Infrastruktur eine große Rolle – und bietet vielen Kubanern attraktive Arbeitsplätze. Die Beschäftigten haben legalen Zugang zu Devisen – und damit zu besseren Gütern und Dienstleistungen. So wandern viele Hochqualifizierte aus Bereichen mit niedriger Entlohnung dorthin ab. Auch von den negativen Begleiterscheinungen des Massentourismus bleibt Kuba nicht verschont. Lokale Programme, welche soziale Aspekte, Stadtplanung und Umweltschutz miteinbeziehen, sollen die touristische Aufwertung von Orten gemäß dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestalten und Erlöse aus diesem Sektor allen dienlich machen. Die Kluft zwischen Privilegierten und Normalverdienern möchte Kubas Regierung mit der angekündigten Rückkehr zu einem einheitlichen Währungssystem verringern, das auf den kubanischen Peso ausgerichtet ist.
Infos: Kubanisches Fremdenverkehrsbüro, www.cubainfo.de
Veröffentlichung |
Peter Steiniger
junge Welt, 19.01.2015