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Große Differenzen
Kuba lässt nach Verhandlungen mit den USA Gefangene frei. Deren Staatschef bittet Mexikos Präsidenten darum, Druck auf Havanna auszuüben.
Kuba hat damit begonnen, 53 Gefängnisinsassen freizulassen. Darum hatten die USA bei den Gesprächen über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern gebeten. Das bestätigte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jennifer Psaki, am Dienstag (Ortszeit) auf ihrer täglichen Pressekonferenz in Washington. Während der mehrere Monate dauernden Geheimverhandlungen im vergangenen Jahr hätten die US-Unterhändler den Vertretern Havannas eine entsprechende Namensliste übergeben, sagte Psaki. Sie bestätigte ebenfalls, dass die Staatssekretärin im US-Außenministerium, Roberta Jacobson, Ende Januar zu Verhandlungen in die kubanische Hauptstadt reisen werde. Ziel der Gespräche sei zunächst die Wiederaufnahme der 1961 von der US-Regierung abgebrochenen diplomatischen Beziehungen. Längerfristig gehe es ihrer Regierung jedoch um die Durchsetzung von »Demokratie und Menschenrechten« auf der sozialistischen Karibikinsel.
Auf die Frage eines Journalisten, ob es sich bei den kubanischen Häftlingen auf der US-Liste um »politische Gefangene« handele, hatte Psaki am Dienstag zunächst ausweichend geantwortet. Auf Nachfrage, ob es für deren Haft eventuell »andere Gründe« gebe, verweigerte sie Details und antwortete: »Ich glaube nicht, dass ich an dieser Stelle eine weitere Beschreibung anbieten kann.« Auch Kubas Präsident Raúl Castro hatte in seiner Rede am 17. Dezember lediglich »die Freilassung von Personen, an denen die Regierung der Vereinigten Staaten Interesse gezeigt hatte«, angekündigt, ohne weiter darauf einzugehen, um wen es sich dabei handelt. Die Washington Post berichtete am Dienstag, Psaki sei skeptisch, ob die Namen der Freigelassenen jemals bekannt gegeben würden. Die Sprecherin des Außenministeriums konnte auch nicht mitteilen, wie viele der 53 Personen bereits auf freien Fuß gesetzt worden seien. Verschiedene »Dissidenten« in Kuba werfen der Obama-Administration mittlerweile vor, die Liste nicht zuvor mit ihnen abgestimmt zu haben und forderten, die für die nächsten Wochen angekündigten Gespräche auszusetzen, bis die »Menschenrechte« in Kuba garantiert seien.
Über diese konferierte US-Präsident Barack Obama am Dienstag im Weißen Haus ausgerechnet mit seinem mexikanischen Amtskollegen Enrique Peña Nieto. Bei dem Gespräch hatte Obama Agenturberichten zufolge den mexikanischen Präsidenten darum gebeten, Druck auf Havanna auszuüben, damit Kuba »demokratische Reformen« einleite. Peña Nieto steht mittlerweile weltweit wegen mehrerer Menschenrechtsverletzungen in der Kritik, in die Polizei, Armee und Justiz seines Landes verstrickt sind, darunter insbesondere das mutmaßliche Massaker an 43 Lehramtsstudenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero.
Raúl Castro hatte in seiner Rede am 17. Dezember zwar Kubas großes Interesse an den Gesprächen mit US-Vertretern unterstrichen und die Hoffnung ausgedrückt, dass »es möglich ist, eine Lösung für viele Probleme zu finden«, zugleich aber betont, »dass wir tiefe Meinungsverschiedenheiten haben, hauptsächlich in den Bereichen nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik«.
Wie groß die Differenzen sind, wurde ebenfalls am Dienstag deutlich. Während Psaki in Washington den Journalisten bestätigte, dass Havanna mit der von den USA erbetenen Freilassung der 53 Häftlinge begonnen hat, veröffentlichte die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina einen Artikel über die von zahlreichen lateinamerikanischen Staatschefs und Organisationen gegenüber Barack Obama erhobene Forderung zur Freilassung von Oscar López Rivera. Der puertoricanische Unabhängigkeitskämpfer, der am Dienstag seinen 72. Geburtstag in einem US-Gefängnis in Indiana beging, wurde 1981 verhaftet und wegen »Verschwörung zum Umsturz« und »Fluchtversuch« zu insgesamt 70 Jahren Haft verurteilt. Mit nunmehr knapp 34 Jahren hinter Gittern ist er der älteste politische Gefangene der Hemisphäre. Seine Freilassung forderten unter anderem die Präsidenten Daniel Ortega aus Nicaragua, José Mujica aus Uruguay, Raúl Castro aus Kuba und Nicolás Maduro aus Venezuela sowie die 33 Mitglieder zählende Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC).
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 08.01.2015