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Obamas Trojanisches Pferd

Auf Kuba genießen Zirkuskünstler auch ohne Millionengage hohes Ansehen – doch der Weg in die Manege ist harte Arbeit.

Wenn das Licht im Rund langsam erlischt, die Zuschauer nicht mehr zu erkennen sind und der Ruf »Manege frei« ertönt, kann sich kaum jemand der Magie des Zirkus entziehen. Welches Kind träumt nicht davon, einmal selbst im Kegel des Scheinwerferlichts zu stehen? Als Akrobat, Jongleur, Clown oder am Trapez unter der Kuppel schwebend, während die Menschen unten den Atem anhalten. Wer davon träumt, erwartet als Dank nicht Millionengagen, sondern glänzende Augen und den Applaus eines begeisterten Publikums.

Doch die heitere Komik der Spaßmacher, die leichten, graziösen Bewegungen der Tänzerinnen und die mühelos erscheinenden Kunststücke der Artisten sind das Ergebnis einer jahrelangen, harten Ausbildung. In Kuba beginnen viele Stars des legendären staatlichen Nationalzirkus ihren Weg in der Zirkusschule von Havanna. In dem ehemaligen Kino eines Arbeiterviertels der Hauptstadt versetzen etwa 70 Kinder den Besucher dieses schmucklosen alten Raumes in eine Welt der Magie, der Exotik, des Abenteuers und des Staunens.

Ein Mädchen lässt vier Hula-Hoop-Reifen zugleich um ihren Körper kreisen, ein Junge turnt kopfüber zwischen zwei Stangen, andere Kinder balancieren, jonglieren oder springen auf einem Trampolin. Wer hier trainiert, hat den Einstieg in diese Welt geschafft. Und das ist nicht leicht in Kuba, wo Zirkuskunst und Artistik hoch angesehen sind. Mindestens vier Jahre dauert die begehrte Ausbildung in der staatlichen Zirkusschule. Davor müssen die normalen Schulzeugnisse hervorragend sein und eine harte Aufnahmeprüfung bestanden werden, danach folgen Praktika in Varietes. Die Anforderungen sind hoch, doch der Lohn ist es auch. Kubanische Artisten zählen zu den besten in der Welt.

Auf der sozialistischen Karibikinsel gelten Zirkuskünstler – im Vergleich zu den klassischen Künsten wie Ballett oder Oper – nicht als die »ungebildeten Vettern vom Lande«, sondern genießen hohen Respekt. Zirkus, heißt es dort, sei das »Theater der Straße«. Eine Haltung, die an Lenin anknüpft, der den Zirkus 1919 – nach Gründung der UdSSR – zur »Kunstform für das Volk« ernannte und ihm denselben Status wie Theater, Oper und Ballett zubilligte. Wer die Kinder in Havannas Zirkusschule sieht, zweifelt nicht an der Berechtigung dieser Aussage.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 27,12.2014