Nachrichten


Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Kino in der Grauzone - Kubanisches Filmfest

Wenn sich im Dezember überall in Havanna lange Warteschlangen bilden, unabhängig von der Uhrzeit oder vom Wetter, dann hat das Festival des Neuen Lateinamerikanischen Films begonnen. Die diesjährige Ausgabe ist dem verstorbenen kolumbianischen Schriftsteller Gabriel García Márquez gewidmet. Er hatte das prestigeträchtige Festival 1979 mitbegründet.

Es sind vor allem kubanische Filme, die für einen großen Zuschauerandrang sorgen: der auch im Ausland erfolgreiche Streifen »Conducta« von Ernesto Daranas etwa; Fernando Pérez’ »La pared de las palabras«; »Fátima o El Parque de la Fraternidad« von Jorge Perugorría oder »Venecia« von Enrique »Kiki« álvarez.

Hinter den Kulissen aber rumort es. Eine Gruppe unabhängiger kubanischer Filmemacher, darunter bekannte Namen wie Fernando Pérez, Pavel Giroud oder Rebeca Chávez, drängt auf ein Filmgesetz, das den neuen Dynamiken des Filmemachens in Kuba gerecht wird. Auf einem der zahlreichen Festival-Symposien wurden die staatlichen Behörden erneut zum Handeln aufgerufen. »Was die Filmemacher fordern, eher erbitten als fordern, ist, den Sektor nach den Anforderungen des 21. Jahrhunderts und nicht jenen der 1960er Jahre zu organisieren und zu ordnen«, sagt Gustavo Arcos, Filmwissenschaftler und Kinokritiker.

Die neuen digitalen Technologien und die unter Präsident Raúl Castro begonnene vorsichtige wirtschaftliche Öffnung des Landes haben die Filmproduktion Kubas verändert. Während das Kubanische Institut für Filmkunst und Filmindustrie, ICAIC (Instituto Cubano de Arte e Industria Cinematográficos), das jahrzehntelang quasi den Alleinvertretungsanspruch für das kubanische Kino innehatte, mit schrumpfenden Ressourcen zu kämpfen hat und oft auf Koproduktionspartner aus dem Ausland angewiesen ist, sind in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe unabhängiger Film- und Videoproduktionen, Fotostudios oder auf eigene Rechnung arbeitende Castingagenturen und Locationscouts entstanden. Sie produzieren Videoclips, Dokumentarfilme oder ganze Kinostreifen. Rechtlich aber bewegen sie sich in einer Grauzone. Zwar werden sie vom Staat in der Regel toleriert, aber es gibt bis heute keine Richtlinie, die die Aktivitäten der Privaten rechtlich regelt. Die einzige Gesetzgebung zu Film und Kino wurde zu Gründung des ICAIC erlassen - und stammt aus dem Jahr 1959.

Bereits im Mai 2013 war von unabhängigen Filmproduzenten der Prozess zu einem zeitgemäßen Filmgesetz angestoßen worden. Eine Kommission aus staatlichen Funktionären, Vertretern des ICAIC sowie Filmemachern wurde gebildet, zahlreiche Gespräche geführt; es ist von einem offenen und transparenten Dialog die Rede. Aber greifbare Ergebnisse gibt es nicht.

Arcos nennt drei Hauptforderungen der Privaten: ein Filmgesetz, das den speziellen Produktionsbedingungen in Kuba Rechnung trägt; die Schaffung einer Rechtsform für die unabhängigen Filmemacher sowie die Einrichtung eines Fonds zur Förderung der Filmindustrie. Die Maßnahmen könnten dann sogar über die Filmproduktion hinaus auf den kubanischen Kulturbetrieb insgesamt wirken. Denn ähnliche Herausforderungen gibt es beispielsweise bei Theaterproduktionen oder in der Musik.

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 12.12.2014