Nachrichten aus und über Kuba
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Kritik an einer »absurden Politik«
New York Times macht sich für neues Kuba-Konzept der USA stark.
Zum sechsten Mal hat die Tageszeitung New York Times am Sonntag in einem Leitartikel eine Änderung der US-Politik gegenüber Kuba gefordert. In ihrem jüngsten Beitrag nehmen die Herausgeber des einflussreichen Blattes ein Programm der Regierung von George W. Bush aus dem Jahr 2006 zur Abwerbung kubanischer Ärzte auf Auslandsmissionen aufs Korn.
Die Zeitung setzt damit eine am 12. Oktober begonnene Serie von Meinungsartikeln fort, mit der sie – nach eigener Darstellung – eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Havanna befördern will. In den ersten Leitartikeln hatten die Herausgeber die Beendigung der seit über 50 Jahren von der US-Regierung gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade und die Streichung des Landes von der Liste der Staaten gefordert, die den Terrorismus unterstützen. Später setzte sich das Blatt für den Austausch der drei noch in US-Gefängnissen festgehaltenen Mitglieder der Aufklärergruppe »Cuban Five« gegen den in Kuba inhaftierten US-Spion Alan Gross ein und kritisierte die Millionenbeträge an Steuergeldern, mit denen Washington exilkubanische Contragruppen in Miami und deren subversive Aktionen finanziert.
Die Kritik an dem 2006 eingeführten Programm, mit dem kubanische Mediziner etwa bei Hilfseinsätzen in den von Cholera betroffenen Gebieten Haitis oder den Ebola-Regionen Westafrikas durch Geldzahlungen zum Abbruch ihrer Mission gebracht werden sollen, fiel am Sonntag besonders scharf aus. Es sei eine »absurde Politik«, schreiben die Times-Herausgeber, wenn US-Außenminister John Kerry oder UN-Botschafterin Samantha Power den Einsatz der kubanischen Ärzte für die Ebola-Patienten lobten und Washington gleichzeitig eine große Summe Geldes für ein Programm ausgebe, um die medizinische Leistungsfähigkeit Kubas zu zerstören.
Laut New York Times sind damit von 2006 bis heute bereits 5.490 kubanische Ärzte zur Fahnenflucht und Niederlassung in den USA geködert worden. Kein einziger dieser »Abgeworbenen« beteiligt sich übrigens an Einsätzen in Ebola- oder Cholera-Gebieten. Die Zeitung weist darauf hin, dass die sozialistische Insel trotz dieses Programms weltweit zu den Ländern mit der höchsten Zahl von Ärzten pro Einwohner gehört und obendrein großzügig Stipendien zur Ausbildung ausländischer Medizinstudenten, auch aus den USA, vergibt.
Der für die Leitartikel der Herausgeber verantwortliche Redakteur, Andrew Rosenthal, kündigte Mitte November in einem Interview mit der britischen BBC an, dass die New York Times ihre Leitartikelserie über Kuba in den Wochenendausgaben fortsetzen werde. Die Zeitung wolle damit die Abgeordneten und Politiker in den USA veranlassen, ihre Politik gegenüber Kuba zu überdenken, sagte Rosenthal.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf; Havanna
junge Welt, 19.11.2014