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Sanchez' Visionen
Bloggerin läßt sich ihre Anti-Kuba-Propaganda fürstlich bezahlen.
Das US-amerikanische Internetunternehmen Yahoo schwimmt im Geld. Die ARD meldete am 22. Oktober unter dem Titel »Wohin mit den Milliarden?« einen Quartalsgewinn des Webportals in Höhe von 6,77 Milliarden US-Dollar. Die Riesensumme verdankt der Gigant, der seine Dienste in 70 Ländern und 46 Sprachen anbietet, weltweit rund 700 Millionen Nutzern. Der Supergewinn macht den US-Konzern spendabel. Eine, die davon profitiert, ist die »unabhängige« kubanische Bloggerin Yoani Sánchez, die von Yahoo 60.000 US-Dollar für ein Studiensemester an der Universität Georgetown in den USA nebst 5.000 Dollar für Reisespesen erhält.
Im September begrüßte die von Jesuiten geführte und für normal sterbliche nicht zugängliche Eliteuniversität in Washington Yoani Sánchez auf ihrer Homepage offiziell als neue Gaststudentin. Die katholisch-konservative Kaderschmiede, zu deren Absolventen so illustre Repräsentanten westlicher Werte wie der spanische König Felipe VI., der jordanische König Abdullah I.. oder der Milliardär und ehemalige libanesische Premierminister Saad Hariri gehören, weist stolz darauf hin, dass Sánchez in ihrer Heimat »mit dem in annähernd zwei Dutzend Sprachen übersetzten Blog >Generation Y< und dem digitalen Medienprojekt >14yMedio< für die »Online-Freiheit« kämpft. Sánchez selbst wird mit dem Versprechen zitiert, das Yahoo-Stipendium dafür zu nutzen, »den unabhängigen Journalismus in Kuba zu stärken«. Das liegt im Sinne der Spender.
FBI und CIA rekrutieren ihr Führungspersonal seit Jahrzehnten von der Universität Georgetown, die ihren Studenten mit Gastdozenten wie Madeleine Albright oder Henry Kissinger die richtige Weltsicht vermittelt und auch mit Personen wie dem berüchtigten FBI-Gründer J. Edgar Hoover, Ex-CIA-Direktor George Tenet und Scientology-Sektengründer Ron L. Hubbard verbunden ist. Die »unabhängige Bloggerin« Yoani Sánchez, die unter anderem von der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP), dem Verband der privaten Medienunternehmer Lateinamerikas, seit November 2012 als »Beauftragte für Kuba« ein vierstelliges Monatsgehalt einstreicht, erwartet vo ihrer Ausbildung – laut Georgetown-Homepage - »eine erweiterte Sicht auf die Welt und auf Kuba«.
Was die Welt und Kuba von einem in Georgetown erweiterten Horizont zu erwarten haben, demonstrierte Sánchez in der vorletzten Oktoberwoche. In Warschau traf die – trotz angeblicher Repression in Kuba – ständig in der Welt herumreisende Systemgegnerin am 21. Oktober mit dem bekennenden Antikommunisten und früheren Präsidenten Lech Walesa zusammen, der ihr seine Unterstützung beim Einsatz für einen Systemwechsel auf Kuba zusicherte.
Vom Sturz der Regierung träumte Sánchez auch während einer Diskussion auf dem »Freiheitsforum« am 22. Oktober in Oslo. Dort beschrieb sie ihre Vision von einem »großen Monument aus USB-Sticks« im Zentrum Havannas. Dies solle ein Symbol für »all die unbekannten Liebhaber der Freiheit, die sich dem Tyrannen entgegengestellt haben« sein, sagte Sánchez. Sie prophezeite, dass ein Systemwechsel auf Kuba mit Hilfe der neuen Technologien und der neuen sozialen Netzwerke herbeigeführt werden würde. Ihre technologische Revolution, sagte sie, unterscheide sich aber von der Revolution Castros im Jahr 1959 in einem entscheidenden Punkt: »Diese kleine technologische Revolution führt uns nicht in die Diktatur, sondern in die Demokratie.«
Zur Zeit zieht es die »unabhängige Bloggerin« allerdings aus gutem Grund vor, nach Luxusreisen um den Erdball auf die von ihr als Hölle beschriebene sozialistische Insel zurückzukehren. Der Beruf es »Systemgegners« wird schließlich in kaum einem anderen Land der Welt so gut bezahlt wie dort. Als Bürgerin der USA oder Europas müsste Sánchez zudem ihr sechsstelliges Vermögen auf ausländischen Konten und auch das jährliche SIP-Gehalt in fünfstelliger Höhe deklarieren und versteuern. Steuerhinterzieher ihrer Größenordnung können nur in Kuba unbehelligt leben, beliebig ein- und ausreisen und obendrein ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem genießen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 29.10.2014