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Die Blockade brechen
188 von 193 UN-Mitgliedsstaaten fordern von den USA das sofortige Ende der antikubanischen Sanktionen. Doch Obama mauert.
In der kubanischen Bevölkerung ist die Hoffnung auf ein Ende der US-Blockade auch nach deren erneuter Verurteilung durch die UN-Vollversammlung nicht groß. »Der Regierung in Washington ist es egal, was die Völker der Welt fordern und die Vereinten Nationen beschließen«, kommentiert ein Taxifahrer in der 23. Straße von Havanna die Frage, ob sich jetzt etwas ändert. Wie im Vorjahr hatten am Dienstag 188 der 193 Mitgliedsstaaten für die Resolution zur sofortigen Beendigung der seit über 50 Jahren gegen die sozialistische Karibikinsel verhängten Sanktionen gestimmt (jW berichtete). Diejenigen Passanten, die die live von TeleSur im kubanischen Fernsehen übertragene Debatte verfolgt haben, sind über das Ergebnis offenbar nicht überrascht.
Auf eine Billion, 112 Milliarden und 534 Millionen Dollar bezifferte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez den bisherigen materiellen Schaden der US-Blockade für die Bevölkerung seines Landes. Eine Zahl, unter der sich auf den Straßen Havannas – und vermutlich nicht nur dort – niemand etwas vorstellen kann. Einige der Blockadefolgen sind dagegen gut bekannt. Auf meine Frage werden am häufigsten die Auswirkungen im Gesundheitswesen genannt, wie etwa fehlende Medikamente für krebskranke Kinder, die wegen der Blockade nicht nach Kuba geliefert werden dürfen. Auch die blockadebedingten Einschränkungen bei Telefon und Internet ärgern viele.
An der Debatte in New York beteiligten sich über 20 Redner, die Staatenbündnisse, Gruppen und Blöcke vertreten. Sie alle prangerten die Unrechtmäßigkeit der Blockade an, warfen Washington die Verletzung der Menschenrechte und Völkermord an den Kubanern vor. US-Vertreter Ronald D. Godard las schließlich mit versteinerter Miene einen vorbereiteten Text vom Blatt, der nahezu identisch mit dem des Vorjahres ist. Er ging darin auf keinen der von den Vorrednern erhobenen Vorwürfe ein. Washington habe sich mit der Haltung zu Kuba vom Rest der Welt isoliert, stellte die Vertreterin Nicaraguas fest. Sie forderte die USA auf, die Sanktionen zu beenden und »sich wieder in die Völkergemeinschaft zu integrieren«. »Die Blockade schadet Kuba, aber sie schadet auch den Vereinigten Staaten«, sagte Havannas Außenminister Bruno Rodríguez.
Oscar Martínez, der stellvertretende Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kubas, sieht die Chancen für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern vorsichtig optimistisch. »Von einer Normalisierung sind wir noch weit entfernt«, sagte er am Dienstag im Exklusivgespräch mit junge Welt, »aber die Abstimmung in der UN-Vollversammlung hat erneut gezeigt, dass die USA isoliert sind und der Druck auf Washington, seine Kuba-Politik zu verändern, ständig zunimmt. Innerhalb des Landes entkrampft sich die Haltung zu Kuba in drei Bereichen: in der US-amerikanischen Gesellschaft insgesamt, bei Politikern, Medien und Kulturschaffenden sowie unter den aus Kuba stammenden Einwanderern. Diesen Stimmungswandel kann die Obama-Administration nicht auf Dauer ignorieren.«
Martínez erinnert daran, dass sowohl die aussichtsreichste nächste Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Hillary Clinton, als auch der demokratische Kandidat für den Gouverneursposten in Florida, Charlie Crist, sich gegen die Blockade ausgesprochen haben.
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Volker Hermsdorf, Havanna
junge Welt, 29.10.2014