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Zerfallsprozesse in Kuba

Von den USA und der EU ausgehaltene Oppositionsgruppe »Damen in Weiß« zerlegt sich selbst.

Die im Jahr 2003 nach der Verhaftung von rund 70 Konterrevolutionären in Kuba unter dem Namen »Damen in Weiß« gegründete Gruppe von Systemgegnerinnen zerfällt. Nachdem die spanischen Tageszeitungen El País und El Mundo sowie der Nuevo Herald aus Miami bereits Anfang des Monats über die Abspaltung von 34 ehemaligen Mitgliedern der Gruppe in Santiago de Cuba berichtet hatten, meldete die spanische Nachrichtenagentur EFE später auch den Austritt von zehn Aktivistinnen in Havanna. Einige der Abtrünnigen offenbarten jetzt Tatsachen aus dem Innenleben der Dissidentengruppe und erklärten, sich mißbraucht und ausgenutzt zu fühlen. Hinter den Kulissen gehe es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern nur um Geld, Privilegien und Macht, erklärten sie in Stellungnahmen, die das Internetportal Cubainformación am vergangenen Dienstag veröffentlichte.

Die Enthüllungen blamieren auch deutsche und europäische Politiker, die die »Damen« mit Geld, Lob und Auszeichnungen überschüttet hatten. So übergab EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) im April 2013 in Brüssel den mit 50000 Euro dotierten Sacharow-Preis der laut AFP »zu Tränen gerührten« Gruppenchefin Berta Soler mit den Worten: »Keine Diktatur der Welt wird auf Dauer die Demokratie aufhalten können.« Am 27. Juni dieses Jahres wurde Soler von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Auswärtigen Amt empfangen. Unter der Überschrift »Die Castro-Brüder sollen noch nicht sterben« berichtete die rechtskonservative Welt am nächsten Tag über den Besuch: »Die beiden Diktatoren sollen sehen, wie die ›Damen in Weiß‹ Kuba von der sozialistischen Diktatur befreien.«

Daraus dürfte in absehbarer Zeit nichts werden. Belkis Cantillo, eine der Mitbegründerinnen der »Damas« und deren bisherige Chefin in Santiago de Cuba, wirft Soler jetzt selbst »diktatorisches Verhalten« vor. Einem daraufhin von Soler angekündigten Rauswurf kamen Cantillo und mehr als 30 ihrer Mitstreiterinnen durch Austritt zuvor. Vor allem geht der Streit aber um Geld. »Für jeden Protestmarsch gegen die Regierung erhalten wir 30 Dollar«, sagt eine der Ausgetretenen und klagt, daß dies bei dem vielen Geld, das aus dem Ausland an die Gruppe fließe, »verdammt wenig« sei. »Aber wir einfachen Mitglieder wissen nicht, was hereinkommt und wo welche Beträge bleiben. Angeblich ist das Vermögen der Gruppe bei einer Bank in Miami angelegt, doch wir wissen darüber nichts«, klagt eine andere. Berta Soler habe einen kleinen Zirkel Vertrauter um sich geschart, der den größten Teil des Geldes und die vielen luxuriösen Auslandsreisen unter sich aufteile. Tatsächlich pendelt Soler seit Anfang 2013 auf Einladung von Parteien, Stiftungen und Regierungseinrichtungen zwischen den USA, Europa und Lateinamerika hin und her und residiert dabei in Luxushotels.

Mittlerweile fliegen aber auch in den von strammen Antikommunisten dominierten Fernsehsendern Miamis die Fetzen. Auf die Frage der in Florida prominenten ultrarechten Moderatorin María Elvira Salazar, wie sie den Zerfallsprozeß der Gruppe aufhalten wolle, antwortete Soler am Telefon brüsk: »Jede Person, die bei den ›Damen in Weiß‹ austritt oder austreten will, kommt nicht wieder zurück.« In Santiago de Cuba haben die Frauen um Cantillo daraufhin Mitte September eine neue Contragruppe mit dem Namen »Bürgerinnen für die Demokratie« gegründet.

Im chilenischen Internetportal diario­Uchile wertet der frühere Landwirtschaftsminister der Regierung Allende und zwischen 2006 und 2008 als Botschafter in Havanna amtierende Jaime Tohá die Krise der »Damen in Weiß« als Indiz für eine generelle Veränderung der von den USA geförderten Opposition in Kuba. Für diesen Eindruck spricht auch der Teilnehmerkreis einer Zusammenkunft ausgewählter »Dissidenten« in der US-Interessenvertretung in Havanna. Auf Einladung von deren im August angetretenen neuem Chef Jeffrey DeLaurentis wurden etwa 20 Systemgegner, unter ihnen die einschlägig bekannten Yoani Sánchez, Guillermo Fariñas und José Daniel Ferrer, bei einem »Arbeitsessen« bewirtet. Berta Soler gehörte nicht zum Kreis der Eingeladenen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
junge Welt, 29.09.2014