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Stärker als die Furcht
Kuba feierte am 26. Juli den 61. Jahrestag des ersten Angriffs auf das Batista-Regime.
Am vergangenen Sonnabend wurde in Kuba der Gefallenen des 26. Juli gedacht. 61 Jahre zuvor hatte eine Gruppe von 160 jungen Guerilleros, angeführt von einem 26jährigen Anwalt namens Fidel Castro, die Kasernen »Moncada« in Santiago de Cuba und »Carlos Manuel de Céspedes« in Bayamo angegriffen. Mit dem Sturm auf die Militärstützpunkte im Osten der Insel wollten die Revolutionäre das Regime des Diktators Fulgencio Batista stürzen, der die Interessen der heimischen Oligarchie und US-amerikanischer Konzerne mit Terror, Folter und Gewalt durchsetzte. Obwohl dieser Versuch militärisch scheiterte, viele der jungen Kämpfer getötet und die meisten Überlebenden verhaftet, mißhandelt und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, gilt der Sturm auf die Moncada-Kaserne als Startsignal für die kubanische Revolution, die fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage später triumphierte. Seit ihrem Sieg am 1. Januar 1959 wird der 26. Juli in Kuba als »Tag der Nationalen Rebellion« gefeiert.
Einer der jungen Guerilleros war der als »Comandante der Revolution« ausgezeichnete heutige Vizepräsident Kubas, Ramiro Valdés aus Artemisa, der am Sonnabend in seiner Geburtsstadt in der gleichnamigen Provinz vor 8000 Zuhörern die Gedenkrede der diesjährigen Feiern hielt. Obwohl der Tag auf der gesamten Insel begangen wird, wechselt der Ort für die zentrale Veranstaltung von Jahr zu Jahr. An dem Akt in Artemisa hatten unter anderem auch Präsident Raúl Castro und dessen erster Stellvertreter Miguel Díaz-Canel teilgenommen. Valdés wandte sich zunächst an »diejenigen, die diese Revolution ermöglicht und ihr Blut für ein unabhängiges Kuba geopfert haben«. Damit sprach er die Veteranen des 26. Juli an, wie Ramiro Sánchez Domínguez, der am Angriff auf die Kaserne in Bayamo beteiligt war. »Vor Castro gab es niemanden, der den Mut hatte, ein freies Kuba, das unabhängig vom nordamerikanischen Joch war, zu erkämpfen«, sagte er gegenüber dem russischen Auslandsfernsehen Russia Today. Dort äußerte sich auch sein Kampfgefährte Ramón Pez Ferro, der als 19jähriger beim Sturm auf die Moncada-Kaserne in Santiago mitgemacht hatte. »Wir waren voller Patriotismus und revolutionärem Feuer«, erinnerte sich der Kämpfer. Er sei sich des Risikos bewußt gewesen, habe aber keine Angst gehabt, sagte er, denn »mein Wunsch, die Zukunft unseres Landes zu verändern, war stärker als die Furcht«.
Im Kuba der 1950er Jahre befanden sich über 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Besitz ausländischer Konzerne, wie der US-amerikanischen United Fruit Company. Ausbildung und Arbeit waren für die Mehrheit der damals fünfeinhalb Millionen Einwohner unerreichbare Ziele. Jedes Jahr starben Tausende von ihnen an den Folgen der Armut, zu der sie verurteilt waren, weil ihre Eltern kein Land besaßen, auf dem sie etwas für ihre hungernden Kinder hätten anbauen können. In seiner berühmten Verteidigungsrede »Die Geschichte wird mich freisprechen« hatte der Anwalt Fidel Castro, der als Hauptverantwortlicher für den Angriff auf die Moncada-Kaserne zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, am 16. Oktober 1953 das Batista-Regime für die soziale Misere angeklagt. Nicht der Sturm auf die Kasernen sei unbegreiflich, sagte Castro damals: »Unbegreiflich ist, daß Kinder ohne ärztliche Hilfe sterben, daß dreißig Prozent unserer Landbevölkerung nicht ihren Namen schreiben können.«
Ramiro Valdés warnte seine Zuhörer am Sonnabend in Artemisa jedoch vor Illusionen. »Unser Kampf ist noch nicht zu Ende«, sagte er. Die Feinde der Revolution hätten »nur die Methode geändert, mit der sie uns zerstören wollen«. Als Beispiel ihrer neuen »unkonventionellen Kriegsführung« nannte Valdés den Versuch einer subversiven Beeinflussung der Jugend mit Hilfe von sozialen Netzwerken und moderner Technologien.
Auch in diesem Jahr ist der 26. Juli nicht nur in Kuba begangen worden. Er wurde in zahlreichen Ländern der Welt, darunter in mehreren Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, als Tag der Rebellion und der internationalen Solidarität gefeiert.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.07.2014