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Chancen verbessern
Neues Gesetz über Auslandsinvestitionen in Kuba verabschiedet
Das kubanische Parlament (Asamblea Nacional del Poder Popular, ANPP) hat am Sonnabend in Anwesenheit des Präsidenten Raúl Castro einstimmig ein neues Gesetz über Auslandsinvestitionen verabschiedet. Es löst die bisherigen Bestimmungen aus dem Jahr 1995 ab.
Mit dem neuen Investitionsgesetz haben die kubanischen Politiker Voraussetzungen geschaffen, um ausländische Investitionen in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft zu regeln. Obwohl sie auch bisher schon möglich waren, mußten Interessenten aber lange und bürokratische Prüfungs- und Genehmigungsprozesse durchlaufen, die viele Investoren abschreckten. Nach dem neuen Gesetz gilt diese Prozedur künftig nur noch für Großprojekte. Kleinere Vorhaben müssen künftig innerhalb von 45 Tagen direkt vom zuständigen Ministerium bearbeitet und entschieden werden. Kernpunkte des neuen Regelwerks sind der Abbau von Bürokratie, Steuererleichterungen für ausländische Investoren, die Senkung von Importzöllen für ausländische Firmen und die Zulassung von Joint-ventures, die bishß nur mit staatlichen Unternehmen erlaubt waren, auch für private Sektoren in der Landwirtschaft und für Kooperativen. Unternehmen die zu 100 Prozent im ausländischen Besitz sind, dürfen – wie auch schon nach dem alten Gesetz – in Kuba tätig sein. Ihr Anteil könnte jetzt allerdings zunehmen.
ie Führung des Landes erhofft sich von den neuen Regelungen neben dem Zustrom ausländischen Kapitals, dem verstärkten Einsatz moderner Technologien und dem Zugang zu neuen Märkten auch bessere Chancen für die Verwertung kubanischer Produkte und Dienstleistungen über internationale Handelsketten. Dies alles, hieß es in den Debatten vor der Abstimmung am Sonnabend, werde einen positiven Effekt auf die heimische nationale Industrie ausüben und das Wirtschaftswachstum des Landes beschleunigen.
Um das Gesellschaftsmodell eines »wohlhabenden und nachhaltigen Sozialismus« wie geplant weiterzuentwickeln und »die dazu notwendigen großen Projekte« auf den Weg zu bringen, brauche Kuba pro Jahr zwei bis 2,5 Milliarden Dollar ausländische Investitionen, sagte der Vizepräsident des Ministerrats, Marino Murillo, im Parlament. Nur dann könne das Land das für seine Entwicklung erforderliche jährliche Wirtschaftswachstum von fünf bis sieben Prozent erreichen. Im Jahr 2014 wird die Wirtschaftskraft der sozialistischen Karibikinsel – nach den aktuellen Prognosen – lediglich um 2,2 Prozent ansteigen.
Wie zu erwarten war, interpretierten die Konzernmedien der BRD das neue Gesetz einseitig. »Kuba macht auf Kapitalismus«, frohlockte etwa der Nachrichtensender N24. Laut Spiegel online hat das kubanische Parlament »eine kräftige Dosis Marktwirtschaft verordnet«, und die Frankfurter Rundschau kommentiert begeistert: »Mit dem neuen Investitionsgesetz wirft das sozialistische Land (…) fast alle Überzeugungen über Bord, die es in mehr als 50 Jahren Revolution hochgehalten hat.« Bei genauerer Betrachtung erfüllt sich dieser Wunschtraum allerdings nicht.
Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina betonte am Sonnabend, daß die Grundlage für alle in dem neuen Gesetz enthaltenen Regelungen der »Schutz und der verantwortungsvolle Umgang mit den menschlichen und natürlichen Ressourcen« sowie die »Achtung der nationalen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung« sei. Eine Verletzung dieser Regeln oder auch »sozialer Interessen« könne zu Enteignungen führen. Ebenso klar ist geregelt, daß das Investitionsgesetz keine Anwendung im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, auf dem Wohnungsmarkt, bei Energieversorgung und Banken, im Verteidigungssektor und in allen anderen strategisch wichtigen Bereichen findet, um nur die wichtigsten zu nennen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 31.03.2014