Nachrichten aus und über Kuba
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»Es gibt keinen menschlichen Kapitalismus«
Bernado Álvarez ist seit Herbst 2013 Generalsekretär der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA). Diesem Bündnis gehören unter anderem Venezuela, Kuba, Ecuador, Bolivien und Nicaragua an.
Die Bolivarsiche Allianz für die Völker Unseres Amerikas, ALBA, ist das einzige Staatenbündnis weltweit, das sich selbst als sozialistisch versteht. Was bedeutet das für Sie?
Zu Beginn war die ALBA eine Organisation, die den Kapitalismus abgelehnt hat, denn uns ist bewußt geworden, daß der Kapitalismus schädlich für unsere Länder ist. Der Kapitalismus wir nie anders sein, denn es gibt keinen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz. Wir haben also festgestellt, daß wir echte Alternativen brauchen, die den Kampf um die Unabhängigkeit mit einem 'Wiederaufbau der Handlungsfähigkeit der Staaten und Regierungen kombiniert. Dazu gehört die Einbeziehung der Ausgegrenzten, der Armen, der Landbevölkerung, die Indígena und die Entwicklung alternativer Eigentumsformen. Aber schon die Klassiker des Marxismus haben festgestellt, daß dies eine sehr lange übergangsphase ist, in der noch Formen und Mechanismen des alten Modells existieren. Es kommt darauf an, in großem Umfang die Produktionskräfte zu entwickeln, um aus einer solchen Position der Stärke heraus zu einer anderen Gesellschaft voranschreiten zu können.
Gegründet wurde ALBA 2004 von Kuba und Venezuela. In diesem Land wird derzeit jedoch eher über wirtschaftliche Schwierigkeiten gesprochen, etwa die hohe Inflation oder die Probleme bei der Lebensmittelversorgung …
Die Lage in Venezuela ist keine Wirtschaftskrise. In Venezuela herrscht eine Krise des Währungs- und Umtauschsystems. Die Inflation und die Schwierigkeiten mit den Warenlieferungen hängen direkt mit dieser Währungskrise zusammen. Es kommen mehrere Faktoren zusammen: Maßnahmen, die nicht rechtzeitig ergriffen wurden, und andere, die noch Zeit brauchen, um wirken zu können. Hinzu kommen Fälle von Sabotage sowie viel Spekulation und Schmuggel. Das hat eine komplizierte Situation provoziert. Das sind auch strukturelle Herausforderungen, denen sich eine Erdölwirtschaft wie die unsere stellen muß, wenn sie den Sozialismus aufbauen will. Es geht darum, die Abhängigkeit von den Erdöleinnahmen zu überwinden.
Bevor sie Generalsekretär der ALBA wurden, haben Sie zahlreiche andere Ämter ausgeübt. 2002, während des Putsches gegen Hugo Chávez, waren Sie der für Erdöl zuständige Vizeminister im Bergbauministerium. Sie stehen also schon lange in der ersten Reihe des Kampfes …
Sagen wir: in der zweiten Reihe. In der ersten stand Hugo Chávez.
Einverstanden. Aber schon damals gingen die Auseinandersetzungen vor allem um den staatlichen Erdölkonzern PDVSA. Zu welchen Schlüssen kommen Sie, wenn Sie die Lage von damals mit der Situation heute vergleichen?
Die Lage ist vollkommen anders. Damals stand die gesamte Erdölbürokratie gegen uns, ebenso große Teile der Streitkräfte. Davon ist heute nichts zu sehen.
Anfang März hat ein aus Deutschland stammender Universitätsprofessor, der in den Medien gerne als ehemaliger Berater von Hugo Chávez ausgegeben wird, in einem Interview erklärt, Nicolás Maduro werde sich nur noch maximal acht Wochen an der Macht halten können. Die Hälfte dieser Frist läuft gerade ab. Was halten Sie von solchen Prognosen?
Ich glaube, Präsident Maduro hat mutig einen Kurs eingeschlagen, der ihn erfolgreich durch die schwierige Phase des revolutionären Prozesses nach dem frühen Tod des Präsidenten Hugo Chávez geführt hat. Ich denke, daß er sein Amt großartig führt. Alles andere sind Einzelmeinungen von Leuten, die glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben.
Veröffentlichung |
Interview: André Scheer
junge Welt, 27.03.2014