Nachrichten aus und über Kuba
Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.
Politische Umgestaltung und Lateinamerikanischer Integrationsprozess
Sergio De Zubiria Samper, Philosoph und Internationaler Sekretär KP Kolumbien
Inmitten eines internationalen Kontextes neoliberaler Erschöpfung, imperialistischer Schwierigkeiten und zunehmender Verwundbarkeit der herrschenden Klassen hat sich der lateinamerikanische politische Raum in eine wichtige Bühne sozialer Kämpfe, der Neugestaltung des politischen Feldes und der Perspektiven der Linken im weltweiten Rahmen verwandelt. Das regionale Szenarium hat sich in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts entscheidend verändert und eine Vielfalt gesellschaftlicher Erfahrungen ist an die Stelle der »neokonservativen« Eintönigkeit der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts getreten. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass es sich im weltpolitischen Rahmen um die Region mit der größten Dynamik handelt. Obwohl sich die soziopolitischen Entwicklungen Lateinamerikas in vollem Gange befinden und keine einzige von ihnen für abgeschlossen gelten kann, können wir doch einige demokratische Kurswechsel festhalten: tiefgreifende Volksrebellionen gegen den Neoliberalismus (Bolivien, Ecuador, Venezuela, Argentinien); Tendenzen, sich aus der traditionellen nordamerikanischen Vorherrschaft zu befreien; Zuspitzung der Widerspräche zwischen den geopolitischen nordamerikanischen Interessen auf der einen und den Interessen der Völker und der lateinamerikanischen Linksregierungen auf der anderen Seite. Wir erleben eine neue Zeit in den Einigungs- und Integrationsprozessen des Kontinents.
Eine besondere Eigenschaft des lateinamerikanischen politischen Prozesses ist die ständige Präsenz gesellschaftlicher Kämpfe in den verschiedensten Formen: Aufruhr, Aufstand, Mobilisierungen, Erhebungen, Rebellion und Revolution. Die kämpferische Entschlossenheit der Volksbewegungen ging nicht zurück, nicht einmal in den Momenten größter Verwirrung und der Krise des europäischen Sozialismus in seinem Endstadium, unbeschadet dessen, dass es sicherlich kritische Momente gab, die sie in die Defensive drängten. Aber mit dem Zapatistenaufstand von Chiapas im Jahr 1994 begann eine neue lateinamerikanische Etappe von Widerstand und Volkskampf. Seit den Anfängen des 21. Jahrhunderts haben sich Lateinamerika und die Karibik in einen bestimmten Fokus des Widerstands gegen Imperialismus, Neoliberalismus und autoritäre Herrschaft verwandelt, mittels Erhebungen und Aufständen, die Massencharakter trugen. Durchgehende Konstante in diesen Volksunruhen sind die Ablehnung der sozialen Folgen des Neoliberalismus, des Imperialismus und der autoritären Herrschaft, und sie haben in der Regel den Übergang von spontanen Protesten in eindeutig politische Kämpfe vollzogen. In Bolivien wurden mit dem »Wasserkrieg« (2000) und dem »Gaskrieg« (2003) Privatisierungsprozesse im Wasser- und Erdgasbereich gestoppt. In Ecuador wurden drei Präsidenten durch die machtvollen Volkserhebungen abgesetzt. In Venezuela wurde durch den »caracazo« (1989) und den Militäraufstand (1992) der Bolivarianische Prozess in Gang gebracht. Die soziale Verpuffung in Argentinien 2001 führte zum Rücktritt des neoliberalen Präsidenten De La Rúa.
Durch die historischen Subjekte der sozialen Revolution, die Stadt- und Landarbeiter, und in zyklischen Auf-und-ab-Bewegungen zeigt sich, dass es in Lateinamerika in der Bevölkerung eine große Mannigfaltigkeit an handlungsfähigen Kräften gibt. Eine neue Generation prekarisierter Arbeiter tritt in den Vordergrund, die Indigenen, die Bauern, die informellen städtischen Arbeiter, die Studenten, die Frauen, neben anderen Subjekten. Der lateinamerikanische Widerstand hat gezeigt, dass die Umstrukturierung der Arbeitsverhältnisse die Antwort der Erniedrigten nicht zu unterbinden vermag. In den großen Aufständen handelten nicht nur die aus ihrer Arbeit entlassenen Unterdrückten, sondern auch die in den Nervenzentren der kapitalistischen Wirtschaft Ausgebeuteten. Die politischen Fortschritte der Frauen haben in multilateralen Veranstaltungen wie der Peking-Konferenz, der Konferenz von Belem do Para, der Beschlussfassung der CEDAW (die Konferenz über die Abschaffung jeglicher Form von Diskriminierung von Frauen) ihren Niederschlag gefunden, welche versucht haben, einen Weg aufzuzeigen, um Kämpfe der Frauen zu ermöglichen und sichtbar zu machen.
Die Komplexität und Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen den Volksbewegungen und den politischen Linksparteien in Lateinamerika zeichnet sich durch das Zusammenfallen unterschiedlicher Faktoren aus, die einen Austausch behindern. Unter anderem seien die folgenden benannt: die Unterschiedlichkeit und Heterogenität der Volksbewegungen, die organisatorische Beschränkung mancher Volksbewegungen auf einen alleinigen oder hauptsächlichen Teilbereich; die beschränkte Kapazität der politischen Linksparteien, die Bourgeoisie zu konkreten Zugeständnissen zu zwingen; die von den Zentren der imperialistischen Herrschaft zur Spaltung des gesellschaftlichen revolutionären Subjekts eingeimpfte Verdrossenheit gegenüber »der Politik«; die Instrumentalisierung der Volksbewegungen für kurzfristige Parteiinteressen; die Entfernung mancher Sektoren der Linken von ihrer eigenen gesellschaftlichen Basis – neben vielen weiteren.
Parallel zu gewissen Anzeichen eines demokratischen Wandels in der Region zeigen sich auch gegenläufige Tendenzen, welche von der Absicht getragen sind, die imperialistische Herrschaft und die Vertiefung des neoliberalen Modells festzuschreiben.
In erster Linie gehört dazu die Strategie der Unterwerfung unter ein Schema kontinentaler Herrschaft auf einer neuen qualitativen Stufe. Ausgehend von Institutionen wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA),dem Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (TIAR), dem Interamerikanischen Verteidigungsrat oder der Interamerikanischen Entwicklungsbank werden Amerikagipfel, Minister. Und Bereichskonferenzen, werden »Ratings«, Handelsabkommen, zivile und militärische Hilfe vereinbart und so direkter oder indirekter Druck ausgeübt. Die Existenz von Militärbasen in der Region ist ein Beweis für die kriegstreiberische Präsenz des Imperialismus.
Zum Zweiten geht es um die Einrichtung eines auf vertikaler, transnationaler Integration basierenden Herrschaftssystem, um besonders die technokratischen Eliten und die »Filetstückchen« der nationalen Ökonomien, wie Rohstoffe, Erdöl, die finanz-, Handels- und Dienstleistungssektoren, in den internationalen Kapitalkreislauf einzugliedern. An der Spitze dieser Projekte steht die »Pazifische Allianz« mit Mexiko, Panama, Kolumbien und Peru.
Drittens sollen Technik- und Konsummodelle eingetrichtert werden, die eine größere Abhängigkeit von Technologie- und Kulturtransfer aus den kapitalistischen Zentren des Nordens vorantreiben.
Viertens verursacht die Unfähigkeit der lateinamerikanischen Staaten, ihrer machtpolitischen und integrativen Rolle gerecht zu werden, eine Zuspitzung der allgemeinen Krise.
Fünftens sind die Widersprüche und Uneindeutigkeiten der nationalen und Linksregierungen zu nennen, die in einem konservativen »Possibilismus« verfallen (gemäß welchem die neoliberale Politik als die einzig mögliche erscheint), das Handlangertum und das Fehlen von Gegenentwürfen zu den neoliberalen Modellen.
Heterogenität und die Linke in der Regierung
Der Gang der Parteien und politischen Bewegungen Lateinamerikas und der Karibik durch die Wahlperioden war alles andere als einfach. In nur wenigen Ländern existiert eine Linke von ausreichender Geschlossenheit und ausreichendem Wählerpotential. Die Möglichkeiten, mit einem eindeutig linken Programm zu regieren, sind geschrumpft, und die zarte Tendenz, die neoliberale Restrukturierung umzudrehen, hat sich nicht als überzeugend erwiesen. Die Erfolge von Maduro, Mujia, Morales, Correa, Roussef und Fernández stellen keine Garantie für einen Aufstieg der Linken in Lateinamerika dar. Damit soll nicht die Bedeutung der institutionellen Räume unterschätzt werden, die die Linke erobern konnte, sondern lediglich festgestellt werden, dass diese Teilsiege an sich noch keine Alternative darstellen. Sie können sich nicht auf simple Ausübung der Regierungsgewalt und die Suche nach einem Raum innerhalb des bürgerlichen Pluralismus beschränken, sondern sollten politisch an Macht gewinnen, mit Aussicht auf revolutionäre Veränderungen mit sozialistischer Perspektive. Die politischen Alternativen der lateinamerikanischen Linken werden sich der Revolution mit antikapitalistischer Perspektive verschreiben müssen, auch wenn die Linke in der gegenwärtigen Etappe auf dem Schlachtfeld der Sozialreformen die neoliberalen Gegen-Reformen abzuwehren hat.
Die gegenwärtigen Regierungen in Lateinamerika weisen unterschiedlich Typologien auf, ganz allgemein gesprochen lassen sich drei Strömungen ausmachen: die neoliberale (Mexiko – Kolumbien – Chile – Panama), die zentristisch-linke (Brasilien – Argentinien – Uruguay – El Salvador) und die radikal- oder populär-nationale (Venezuela – Ecuador – Bolivien – Nikargua) Tendenz.
Die neoliberale Welle auf dem Kontinent wurde durch die Militärdiktaturen der Südspitze Amerikas in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts vorweggenommen (Chile, Uruguay, Paraguay, Argentinien) und seit den achtziger Jahren durch verfassungsgemäße Regierungen verallgemeinert. Die links-zentristischen Regierungen behalten ein ambivalentes Verhältnis zum Imperialismus bei. Sie verteidigen die Interessen der Kapitalisten und tolerieren die demokratischen Errungenschaften, behindern aber die radikalen Forderungen des Volkes. Die nationalistischen Regierungen verfolgen den Kurs einer staatlich kontrollierten Wirtschaft, stehen Widersprüche mit den USA durch, geraten in einigen Fällen in Konflikt mit ihrer nationalen Bourgeoisie und vertreten eine fortschrittliche Einkommensverteilung. Am radikal nationalistischen Pol bieten sich die meisten Räume für die Volksbewegungen. Eine der Charaktereigenschaften aller drei Regierungsformen ist die übersteigerte Fixiertheit auf den Präsidenten, die tief in der lateinamerikanischen Geschichte verwurzelt ist und die zum Ausdruck der Instabilität werden kann, die in allen Ecken der kapitalistischen Peripherie vorherrscht. Keine der genannten Regierungen verfolgt einen sozialistischen Kurs, wie ihn Kuba in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts umsetzte.
Die kubanische Revolution stellt die relevanteste antikapitalistische Veränderung in der Hemisphäre dar. Sie stellte Bedingungen her, um das Elend und die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu beenden. Ihre massenhaften Errungenschaften in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Arbeit haben unter Beweis gestellt, dass es möglich ist, das menschliche Dasein auf sozialistischem Weg zu verbessern, und das inmitten der niederträchtigen Bedingungen der nordamerikanischen Blockade. Sie hat gezeigt, dass der Antikapitalismus in jedem denkbaren Land machbar ist und uns den Weg in dieser sozialistischen Richtung gewiesen. Kuba kann uns auch eine Lehre sein, was seine Fähigkeit zur Selbstkritik, die wirtschaftlichen Fehler und die Abweichungen des politischen Modells angeht. Eine besondere Bedeutung haben die gegenwärtigen Reformprozesse des Sozialismus in Kuba, auf der Suche nach einer Konsolidierung der Revolution, nach einer Verbesserung der wirtschaftlichen Tätigkeit, nach einer Anhebung der Lebensverhältnisse und einer Stärkung des sozialistischen Bewußtseins.
Eine wichtige Folge der Volksrebellion, der neoliberalen Erschöpfung, der kapitalistischen Krise und es wahrnehmbaren politischen Wandels in Lateinamerika ist das Wiederaufleben der strategischen Diskussion innerhalb der lateinamerikanischen Linken. Sozialistische Postionen und strategisch bestimmte Handlungsorientierungen sind in wichtige Bereiche der Linken des Kontinents zurückgekehrt. Der sozialistische Vorschlag beginnt Einfluss in den Straßen von Venezuela, Ecuador, Bolivien und Kuba zu gewinnen. Die Massenbewegungen und die lateinamerikanischen Linksparteien haben wichtige Überlegungen über die Probleme, von Reform und Revolution oder auch das Wesen des Sozialismus in der gegenwärtigen Etappe angestellt. Inmitten der Schwierigkeiten über den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« ist dies Ausdruck der Rückkehr zu den aktuellen strategischen Diskussionen in Lateinamerika. Das gründliche Scheitern des sogenannten »Dritten Wegs« und der sozialdemokratischen Wandlungsprozesse sind nur einige Symptome. Wer einfordert, dass der Sozialismus in der gegenwärtigen Epoche eingeführt werden kann, endet unwiderruflich darin, die sozialistische und kommunistische Identität ganz offen zu verteidigen. Wer dagegen eine neo-entwicklungspolitische Etappe befürwortet, sorgt für ein Schwanken im Kampf gegen den Kapitalismus. Die strategische Diskussion über die sozialistische Revolution bleibt die theoretische und praktische Aufgabe der Kommunisten.
Lateinamerikanischer Einigungsprozess und sozialistische Perspektive
Derzeit festigen sich wichtige Schritte in Richtung einer lateinamerikanischen Einigung mit sozialistischer Perspektive. Die von den Staaten der ALBA (Bolivarianisches Bündnis für die Völker Amerikas) unternommenen Anstrengungen gewinnen in Institutionen an Gestalt, die für die Verwirklichung des Traums des Befreiers Bolívar, eine souveräne lateinamerikanischen Einigung zu erreichen, von zentraler Bedeutung sind, wie zum Beispiel die UNASUR (Union der Südamerikanischen Nationen) oder die CELAC (Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten). Die lateinamerikanische Linke hat es im Laufe eines zwei Jahrzehnte währenden Aufbauprozesses geschafft, Räume der Begegnung und der politischen Aktion zu schaffen, wie beispielsweise das Forum von Sao Paolo. Die Gegenwart Kubas in den Integrationsprozessen ist ein Muss. Diese vier Institutionen, ALBA, UNASUR, CELAC und Foro de Sao Paolo, stellen die fortgeschrittensten Elemente eine demokratischen und souveränen Integration dar. Ihre Keimzelle, ALBA, geht von der Notwendigkeit aus, dass ein Einigungsprozess von den Völkern und Communities, nicht ausschließlich von den Staaten, auszugehen hat. Dagegen haben MERCOSUR und CELAC die Bevölkerung bislang nicht in die grundlegenden Entscheidungen einbezogen.
Die lateinamerikanische Rechte versucht ausschließlich, mittels der Freihandelsabkommen TLC die Grundsätze der Welthandelsorganisation WTO durchzusetzen sowie die morsche Organisation Amerikanischer Staaten aufrecht zu erhalten. Der Vorschlag der US-Regierung unter Bush, eine Amerikanische Freihandelszone (ALCA) zu schaffen, ist in der Region mit Getöse zerschlagen worden. Um sein Sterben zu verlängern, bemüht sich die US-Regierung nun, »Freihandelsabkommen« mit den Regierung abzuschließen, die immer noch gefügig den Anweisungen der USA und Kanadas Folge leisten.
Die Volksmobilisierungen und die Linke sollten sich auf die noch unerfüllte und oft absichtlich unterbundene Vision von Bolívar, Miranda, Bello und Martí besinnen. Die Bolívarianischen Ideen, die Einheit Hispano-Amerikas betreffend, haben ihren wohl weitestgehenden Ausdruck im Jamaika-Brief von 1815 und dem Aufruf des Panamaischen Kongresses von 1824 gefunden, wo es heißt: »Mehr als jeder andere wünsche ich mir, dass sich in Amerika die größte Nation der Welt herausbilden würde, weniger ob ihrer Ausdehnung und ihres Reichtums, als ob ihrer Freiheit und ihres Ruhmes … sie teilen bereits einen Ursprung, eine Sprache, gemeinsame Gebräuche, eine Religion, und sollten folglich eine einheitliche Regierung haben, die die einzelnen zu gründenden Staaten konföderal zusammenfasst; aber dies ist unmöglich, da andere Klimabedingungen, unterschiedliche Lagen, entgegengesetzte Interessen, abweichende Charaktereigenschaften Amerika entzweien.« Aber wenn schon die politische Einheit für Bolívar nicht erreichbar ist, so ist es für ihn »unabdingbar, dass die unsrige eine Gesellschaft von Brudergesellschaften sein, im Moment getrennt und in souveräner Ausübung entlang der menschlichen Geschicke, aber vereint, stark und mächtig, um sich gegen die Aggressionen der ausländischen Macht verteidigen zu können. Es ist unabdingbar, dass Ihr ohne Unterlass die Notwendigkeit betont, von nun an die Grundlagen einer staatenübergreifenden politischen (antifiktionistischen) Körperschaft oder einer Bevollmächtigtenversammlung zu schaffen, die den gemeinsamen amerikanischen Interessen einen Impuls gibt, die Uneinigkeiten schlichtet, die möglicherweise in Zukunft zwischen Völkern mit gleichen Gebräuchen und gleichen Haltungen auftreten können, und die aufgrund des Fehlens einer solcherart heiligen Institution möglicherweise die verhängnisvollen Kriege auslösen könnte, die andere, weniger glückliche Regionen verwüstet haben.«
Der Vorschlag des Liberator ist scharfsinnig: Die Ideen von einer Americanidad zielt auf die Möglichkeit einer kontinentalen Solidarität mittels eines Amerika-Paktes; diese kontinentale Einheit und Solidarität sind notwendig, um ausländischen Mächten und unseren eigenen Schwierigkeiten entgegentreten zu können; abgesehen von seiner politischen Ausrichtung basiert dieser Pakt zudem auf der Grundlage geteilter Traditionen, Haltungen und Kultur; in der staatenübergreifenden Liga verlieren die Unterschiede von Rasse und Ursprung an Bedeutung, so dass eine wirkliche Sozialreform unter den Vorzeichen von Freiheit und Frieden in unserem Amerika angestrebt werden kann, die Dank der vereinten Kräfte jenen Ländern zu Hilfe eilen kann, die unter einem äußeren Feind oder fanatischen inneren Aufrührern zu leiden haben. Über leichte Unterschiede hinweg teilen Bolívar, Miranda, Bello und Martí ein gemeinsames Gedankengut – Unser Amerika -, gemeinsame Ausgangsbedingungen – Freiheit und Gerechtigkeit – und eine gemeinsame Leidenschaft, die Liebe zur Bildung. Die Grundannahmen für diese amerikanische Einigung oder Union werden auch von den Köpfen der »ersten Unabhängigkeit« geteilt.
Die erst ist: Das Recht auf politische Rebellion, um die Souveränität der Völker zu erreichen. Die zweite; das unaufhaltsame Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit als Bedingung der amerikanischen Einigung. Die dritte: Die Tendenz zu einer Einigung, die Nordamerika nicht mit einbezieht, handelt es sich doch um eine Nation mit anderen Ursprüngen und Vorstellungen. Viertens: eine Utopie, die Freiheit und vollkommene Demokratie erstrebt. Fünftens: der uneingeschränkte Respekt vor der kulturellen Diversität Amerikas, die eine gemeinsame geschichtliche Herkunft und eine gemeinsame Zukunft hat und seine kulturelle Mannigfaltigkeit schützen sollte.
Die politische Umgestaltungen in unserer Region verlangen nach einer großen Umsicht hinsichtlich des Integrationsvorgangs, denn der Charakter dieser Einigungsprozesse wird für die Emanzipation des Kontinents entscheidend sein. Das Handeln der Linken sollte folgende Überlegungen berücksichtigen: die erste ist, nach Verfassungsänderungen zu streben, die nicht ausschließlich der Exekutivgewalt über die außenpolitischen Entscheidungen zukommen lässt, sondern nach einer Demokratie von unten verlangt, die die Entscheidungen über den Typ der Einigung trifft. Die zweite ist eine große Aufmerksamkeit für die supranationalen Organismen, die jeder Form des Unilateralismus strikte Grenzen setzt. Die dritte ist der Aufbau offener regionaler Projekte, die es ermöglichen, die Deformationen des autoritären Staates zu kontrollieren, mit Ausblick auf einen Regionalismus mit Druck aus der Bevölkerung und von unten. Die vierte ist, Integrationsformen zu stärken, die die Ungleichheiten innerhalb der Region eindämmen und die Einheit in der Vielseitigkeit zu stärken. Der 2. CELAC-Gipfel im Januar 2014 in Havanna hat der Welt gezeigt, wie die Diversität respektiert und der Weltfriede verteidigt werden können.
(Übersetzung: Tobias Kriele)
Marxistische Blätter, 2-2014