Nachrichten aus und über Kuba
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Brüssel und Havanna
Die antikommunistische Politik des »Gemeinsamen Standpunktes« ist gescheitert. EU denkt über Normalisierung der Beziehungen zu Kuba nach.
Die 28 Mitgliedsstaaten der Europäische Union wollen ihre Beziehungen zu Kuba normalisieren. Wie der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, am Freitag auf einer Pressekonferenz in Madrid mitteilte, soll am morgigen Dienstag eine interne Expertengruppe des EU-Ministerrats in Brüssel mit den Vorbereitungen für entsprechende Verhandlungen beginnen.
Nach einer Meldung der spanischen Nachrichtenagentur EFE bestätigte Barroso, daß innerhalb der EU ernsthaft über die Aufgabe des »Gemeinsamen Standpunktes« diskutiert werde. Dazu sei allerdings die Zustimmung aller Mitgliedssaaten nötig. Am Donnerstag hatte AFP bereits unter Berufung auf einen EU-Diplomaten in Brüssel gemeldet, daß die bisherigen Bremser (Polen und Tschechien) ihren Widerstand gegen einen Solchen Schritt aufgegeben hätten. Es werde deshalb damit gerechnet, daß die EU-Außenminister die Europäische Kommission noch im ersten Quartal dieses Jahres zur Aufnahme eines formalen Dialogs mit den Repräsentanten der sozialistischen Karibikinsel ermächtigen werden. Ziel der Europäer sei es, bis zum Jahr 2015 die Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen. Während die meisten deutschsprachigen Medien die angekündigte Änderung der europäischen Kubapolitik unter den Tisch fallen ließen, titelte der russische Nachrichtensender RT: »Cuba reconquista Europa.« (Kuba erobert Europa zurück)
Der »Gemeinsame Standpunkt« der EU-Staaten belastet das Verhältnis seit 1996. Er war vor allem auf Druck der damaligen rechtsgerichteten spanischen Regierung unter José Maria Aznar, der enge Verbindungen zu terroristischen exilkubanischen Organisationen im Süden der USA pflegt, beschlossen worden. Nach der Verhaftung zahlreicher aus dem Ausland gesteuerter Agenten, die in den USA und Europa als »politische Oppositionelle« dargestellt worden waren, hatten die EU-Länder Sanktionen gegen Kuba verhängt. Ihr erklärtes Vorhaben, mit der »Europäischen Blockade« Einfluß auf die Innenpolitik der sozialistischen Karibikinsel zu nehmen und dort zu einem Systemwechsel beizutragen, gilt mittlerweile als gescheitert.
Ein wichtiger Schritt zur Normalisierung war der Besuch des niederländischen Außenministers Frans Timmermans Anfang Januar in Havanna (junge Welt berichtete). Der hochrangige Gast hatte sich nach einem Zusammentreffen mit seinem kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez offen gegen die bisherige EU-Position ausgesprochen und statt dessen einen Dialog gefordert. Zugleich hatten Vertreter des Königreichs eine Reihe von bilateralen Verträgen unterzeichnet, mit denen die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zwischen beiden Ländern gestärkt werden sollen. Außer den Niederländern hatten in den letzten Jahren auch zahlreiche andere europäische Staaten ihr Verhältnis zum ersten sozialistischen Land Amerikas normalisiert. Im Jahr 2010 war sogar der einstige Hardliner Spanien, unter den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero, von der aggressiven EU-Position abgerückt. In der schweren Wirtschaftskrise seines Landes führt Mariano Rajoy mit seiner rechtskonservativen Regierung derzeit den Kurs der Annäherung an den ideologischen Erzfeind in der Karibik fort.
Die Chancen, daß die Europäische Union – vor allem aus eigenen wirtschaftlichen Interessen – bis zum kommenden Jahr Nägel mit Köpfen macht, stehen derzeit so gut wie nie zuvor in den letzten 18 Jahren. Damit würde auch einer gemeinsamen Forderung entsprochen, die im November letzten Jahres von 18 europäischen Organisationen der Kuba-Solidarität erhoben worden war. In einer gemeinsamen Erklärung von ihnen wird der »Gemeinsame Standpunkt« als bloßer Anhang zur US-Strategie des Kalten Krieges gegen Kuba verurteilt, welcher der dortigen Bevölkerung vor allem Not und Entbehrungen zufüge. Es wird gefordert: »Es ist höchste Zeit, diese undiplomatische und die Prinzipien des Völkerrechts – wie das Recht auf Selbstbestimmung – verletzende Position zu verlassen!«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 20.01.2014