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»Wer zu Unrecht schweigt, macht sich mitschuldig«
Kampagne zur Freilassung der »Cuban Five«: In London gibt es im März eine »Internationale Anhörung«. Ein Gespräch mit Rolf Becker
Neben Ihren Beruf engagieren sie sich in der Gewerkschaft, sind politisch aktiv, unterstützen unter anderem die Kampagne zur Freilassung Mumia Abu Jamals. Was hat Sie bewogen auch zur Anhörung am 7./8. März in London aufzurufen?
Normalerweise äußere ich mich ungern zu Vorgängen, über die ich mir nicht selbst ein Bild machen kann. Als ich zum Beispiel gebeten wurde, die Solidaritätskampagne für Mumia Abu Jamal zu unterstützen, habe ich ihn persönlich in den USA im Gefängnis besucht. Eigentlich hätte ich also erst mal versuchen müssen, die noch inhaftierten Mitglieder der »Cuban Five« in den US-Gefängnissen aufzusuchen. Dazu würde mir aber vermutlich die Einreise verweigert.
Angela Davis wurde 1972 auch durch den Druck der internationalen Solidaritätsbewegung freigekämpft. Warum gelingt das heute bei Mumia oder den »Cuban Five« nicht mehr?
Als der internationale Protest dazu beigetragen hat, Angela frei zu bekommen, hatten wir eine starke weltweite linke Bewegung und ein stabiles kapitalistisches System. Heute befindet sich der Kapitalismus in der Krise und die Linke ist in großen Teilen der Welt marginalisiert. Das hat zur Folge, daß die herrschenden härter durchgreifen, weil sie Auseinandersetzungen fürchten. Sie agieren präventiv, bereits in Erwartung von Bewegungen. Die Inhaftierung der kubanischen Aufklärer, die rechte Terrorgruppen infiltriert haben, ist auch eine präventive Maßnahme.
Der Fall der »Cuban Five« findet in den Konzernmedien nicht statt. Welche Funktion hat das Verschweigen?
Verschweigen ist ein entscheidender Hebe, um Aufklärung und Unterstützung der »Cuban Five« zu blockieren. Jeder halbwegs seriöse Bericht würde deutlich machen, daß sie nicht verurteilt wurden, weil sie Unrecht begangen haben,sondern weil sie Verbrechen verhindern wollten. Dieser Zusammenhang würde selbst bei einer beschreibenden Berichterstattung nicht verschleiert werden können und damit den Skandal sichtbar machen. Deshalb informieren nur die Solibewegungen und die wenigen linken Medien über den Fall. Wer zu Unrecht schweigt, macht sich mitschuldig.
Von Ausnahmen abgesehen halten Intellektuelle und Künstler sich heute im Fall der »Cuban Five« aber auch bei anderen Themen zurück. Warum ist diese Kritik verstummt?
Ich glaube nicht, daß die Linken im Bereich der Kunst und Kultur verschwunden sind, sondern daß die Mehrzahl von ihnen einen guten Riecher dafür hat, ob es eine progressive Bewegung in der Bevölkerung gibt oder nicht. Und wenn es die nicht gibt, kann es für kritische Künstler existenzgefährdend sein, sich aus dem Fenster zu hängen. Der Umgang mit Peter Handke nach seinem Engagement gegen die Kriegsverbrechen der NATO in Jugoslawien und Serbien sollte ja auch eine Warnung sein.
Sie sind Mitglied des Hamburger Ortsvorstandes von ver.di. In Großbritannien unterstützen mit »Unite« und »Unison« zwei der größten Gewerkschaften des Landes die Anhörung in London. Warum geht das nicht auch hier?
Das liegt teilweise daran, daß die Kluft zwischen Vorständen und Basis immer größer wird. Allerdings ducken sich in der Krise auch in den Betrieben immer mehr Beschäftigte weg. Feste Arbeitsverhältnisse zu tariflichen Bedingungen sind fast schon die Ausnahme und immer mehr Jugendliche werden zu Dauerarbeitslosen. Das fördert eine Anpassungsmentalität. Der Einsatz für Kolleginnen und Kollegen, die unter Druck geraten, wird immer geringer. In einer solchen Situation passen viele Gewerkschaftsfunktionäre sich lieber an, als die internationale Solidarität zu propagieren.
Was kann Ihrer Meinung nach mit der Anhörung in London erreicht werden?
Ich hoffe, daß die Medien diese hochkarätig besetzte Anhörung nicht totschweigen können und dadurch auch der Fall der »Cuban Five« darstellen müssen. Der Hintergrund für ihr Handeln, nämlich der noch immer vom Boden der USA aus organisierte Terror gegen die Bevölkerung Kubas, wird dann sichtbar, zudem wird deutlich, daß ihre Inhaftierung ein Skandal ist. Wenn das erreicht wird, sind wir ein Stück weiter, um den Druck für die Freilassung der noch in den USA festgehaltenen Anti-Terror-Kämpfer zu verstärken.
Veröffentlichung |
Interview: Volker Hermsdorf
junge Welt, 14.01.2014