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Tausende Kubaner helfen Brasilien
2400 Mediziner von der Karibikinsel arbeiten in den entlegensten Gebieten des südamerikanischen Riesenlandes.
Das ist ein guter Arzt, obwohl er Ausländer ist«, schwärmt die 69jährige Bäuerin Maria Inácia Silva, nachdem sie von dem kubanischen Mediziner Nelson López (44) in der Krankenstation ihres Dorfes Capivara (Provinz Frei Migueli) im armen und trockenen Nordosten Brasiliens behandelt worden ist. Das letzte Mal, sagt sie, habe sie dort vor acht Jahren zum Doktor gehen können. Auch eine Krankenstation im 200 Kilometer westlich von Recife gelegenen 40000-Seelen-Ort Brejo da Madre de Deus mußte die letzten vier Jahre ohne Mediziner auskommen. Seit August letzten Jahres versorgt das kubanische Ärzteehepaar Teresa Rosales (47) und Alberto Vicente (43) dort die Patienten. »Diesen Mann hat uns Gott geschickt«, sagt die 80jährige Rentnerin Isabel Rocha über Alberto und fügt hinzu, daß sie glücklich ist, weil endlich wieder ein Arzt ihre Diabetes kontrolliert.
Der Versorgungsmangel ist im größten und bevölkerungsreichsten Land Südamerikas kein Einzelfall. Nach Einschätzung des brasilianischen Gesundheitsministeriums fehlten Mitte 2013 mehr als 50000 Mediziner. Am Schlimmsten ist der Mangel auf dem Land, in den armen Stadtteilen der Großstädte und den Favelas. Mit 1,8 Ärzten auf 1000 Einwohner liegt das Land am unteren Ende der Skala auf dem Kontinent. Die Verbesserung der Gesundheitsversorgung war deshalb eine zentrale Forderung der sozialen Proteste des letzten Jahres. Als Reaktion darauf hatte Präsidentin Dilma Rousseff im Sommer das Regierungsprogramm »Mais Médicos« (Mehr Ärzte) aufgelegt, das die Anwerbung von Fachpersonal im Ausland vorsieht. Ende letzten Jahres erklärte Rousseff bei einer ersten Zwischenbilanz, daß dessen Erfolg vor allem der Entsendung von 2400 Medizinern aus Kuba zu verdanken ist. Diese würden Menschen in abgelegenen Regionen helfen, für die sich in der Vergangenheit keine einheimischen Ärzte hätten finden lassen. In diesem Jahr sollen weitere 3000 Doktoren von der sozialistischen Karibikinsel dazukommen, die mit 6,7 Ärzten pro 1000 Einwohner weltweit einen Spitzenplatz einnimmt. Insgesamt seien im Jahr 2013 für das Programm »Mais Médicos« mehr als 6000 Ärzte eingestellt worden, die in 2177 Gemeinden und 28 Bezirken der indigenen Bevölkerung arbeiten, teilte das Gesundheitsministerium mit. Jeder neue Arzt betreue im Schnitt 3500 Patienten.
Rousseffs klare Position, vor allem aber die Begeisterung der Patienten für die kubanischen Helfer, haben anfängliche Anfeindungen konservativer Standes- und Interessenverbände sowie rechter Medien und Politiker in den Hintergrund gedrängt. Der Erfolg des Programms, meinen Beobachter mittlerweile, hat die Chancen der Präsidentin auf eine Wiederwahl im Oktober dieses Jahres erhöht.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 11.01.2014