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Abschied von Mandela
Zu Ehren von Südafrikas Freiheitshelden: Zehntausende Menschen und rund 100 Staatschefs in Johannesburg. Raúl Castro erinnert an gemeinsamen Kampf.
Südafrikas frühere Vizepräsidentin Baleka Mbete war sichtlich bewegt, als sie am Dienstag auf der Bühne der großen Gedenkveranstaltung für Nelson Mandela den Gast »von einer kleinen Insel« ansagte, »deren Volk für unsere Befreiung gekämpft hat«. Der so angekündigte Redner, Kubas Präsident Raúl Castro, erinnerte an den gemeinsamen Einsatz gegen das südafrikanische Rassistenregime. Der am vergangenen Donnerstag verstorbene Nelson Mandela selbst habe am 26. Juli 1991 bei seinem Besuch in Havanna erklärt, daß Kuba immer einen besonderen Platz im Herzen des südafrikanischen Volkes einnehmen werde. Sowohl Castro als auch Mbete erinnerten an die Schlacht von Cuito Cuanavale im Südosten Angolas. Damals hatten einheimische und kubanische Truppen gemeinsam mit Kämpfern der Befreiungsbewegungen ANC aus Südafrika und SWAPO aus Namibia den eingedrungenen Truppen Pretorias eine vernichtende Niederlage bereitet. Dieser Sieg öffnete den Weg zum Ende der Apartheid und zur Befreiung Mandelas.
US-Präsident Barack Obama, der als erster ausländischer Staatsgast nach UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu Wort kam, vermied konkrete Bezüge zum Widerstand des südafrikanischen Volkes, obwohl er bereits zu Beginn seiner Rede über Mandela behauptet hatte: »Sein Kampf war unser Kampf, sein Sieg war unser Sieg.« Statt dessen stellte er den Freiheitshelden in eine Reihe mit den »Gründervätern« der USA und mit Abraham Lincoln, während er sich zugleich von – namentlich nicht genannten – »zu vielen von uns« distanzierte, »die glücklich Madibas Erbe der Versöhnung umarmen, sich aber leidenschaftlich auch gegen bescheidenste Reformen wehren, die sich gegen chronische Armut und zunehmende Ungleichheit richten«. Zu viele Führungspersönlichkeiten der Welt verkündeten ihre Solidarität mit Mandelas Freiheitskampf, »aber dulden keinen Dissens in ihrem eigenen Volk«. Eine Freilassung politischer Gefangener in den USA wie Mumia Abu-Jamal, der vier noch inhaftierten Kubaner oder Leonard Peltiers kündigte er jedoch ebensowenig an wie ein Ende der Verfolgung von Edward Snowden oder die Einstellung der Überwachungsmaßnahmen seiner Geheimdienste.
Zehntausende Menschen waren in das 90000 Zuschauer fassende Fußballstadion von Johannesburg gekommen, um Abschied von Mandela zu nehmen. Stundenlang harrten sie in strömendem Regen aus, feierten den Verstorbenen mit Musik und Sprechchören und ließen sich von den Moderatoren – neben Mbete ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa – nur widerwillig dazu bewegen, die Redner zu Wort kommen zu lassen. Mit offiziell an die 100 Staatsgästen gehörte die Trauerfeier zu einem der größten informellen Gipfeltreffen der politischen Geschichte und bot unter anderem Gelegenheit für einen kurzen Händedruck und Wortwechsel zwischen Obama und Castro. Zu den Anwesenden in Johannesburg gehörten Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff – die den Kampf Mandelas und des südafrikanischen Volkes als »ein Beispiel für alle Völker, die für Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit kämpfen« würdigte – Chinas Vizepräsident Li Yuanchao, Palästinas Staatsoberhaupt Mahmud Abbas und Bundespräsident Joachim Gauck.
Der Leichnam Nelson Mandelas wird am kommenden Sonntag in dem Dorf Qunu, in dem er als Kind aufwuchs, beigesetzt.
Veröffentlichung |
André Scheer
junge Welt, 11.12.2013