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Keine Schocktherapie
Kuba arbeitet an der Überwindung der Doppelwährung.
Seit einer Woche gibt es in Kubas Betrieben, unter Nachbarn, auf den Straßen und Plätzen nur noch ein Thema: Die am Dienstag letzter Woche – nach einer Tagung des Ministerrats – per offizieller Mitteilung in der Tageszeitung Granma angekündigte Vereinheitlichung der beiden Landeswährungen Peso Cubano (CUP) und Peso Convertible (CUC). Die Einführung des letzteren war vor knapp 20 Jahren aus Not beschlossen worden. Durch das Verschwinden der sozialistischen Staaten in Osteuropa hatte Kuba schlagartig fast alle bisherigen Wirtschaftspartner verloren, die Nachfolger der früheren Verbündeten hielten laufende Verträge nicht mehr ein. Der damalige Präsident Fidel Castro rief daraufhin die »Kriegswirtschaft in Friedenszeiten« aus. Dazu gehörte unter anderem die Legalisierung des bis 1993 verbotenen US-Dollars und die Einführung des an diesen gekoppelten CUC als »harter« Zweitwährung, um an Devisen für den Import überlebensnotwendiger Güter zu kommen. 2004 schließlich wurde der Umlauf des Dollars komplett durch den CUC ersetzt, um zu verhindern, daß Washington Zugriff auf die Devisen hat. Der CUC gilt zwar nur in Kuba, kann dort aber in Währungen wie Euro, Schweizer Franken, Britische Pfund oder US-Dollar umgetauscht werden.
Nach einer Vorbereitungsphase, in der unter anderen die EDV-Systeme aktualisiert und das Personal geschult werden, soll der Ankündigung zufolge zunächst in einigen ausgewählten Geschäften, die Waren und Dienstleistungen bislang ausschließlich in CUC angeboten haben, auch in CUP gezahlt werden können. Dabei gilt der offizielle Umtauschkurs von 1:25 der staatlichen Wechselstuben CADECA. Für die Mehrheit der Kubaner, die ihre Gehälter und Renten überwiegend in CUP beziehen, ist das nur eine kleine Verbesserung, doch wird darin vor allem ein Signal gesehen, daß die Regierung es mit der Abschaffung der Doppelwährung ernst meint.
Im April 2011 hatten die Delegierten des sechsten Parteitags der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) im Rahmen der »Leitlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik« die Abschaffung der parallel existierenden Zahlungsmittel beschlossen. Sie war in den Debatten als eines der Themen genannt worden, »die der Bevölkerung am meisten auf den Nägeln brennen«. Am 7. Juli 2013 sprach der kubanische Präsident Raúl Castro das Thema erneut vor dem Parlament an. Die Doppelwährung sei »eines der größten Hindernisse für die Entwicklung des Landes«.
In zwei Jahrzehnten habe sich die Maßnahme, zu der es damals keine Alternative gegeben habe, zu einer ökonomischen Fessel entwickelt, erklärte auch Danilo Guzmán Dovao, der Vorsitzende der einflußreichen Nationalen Organisation kubanischer Ökonomen (ANEC), am vergangenen Mittwoch in einem Interview mit der Tageszeitung Juventud Rebelde. In der Bevölkerung wird der Prozeß, der für die Unternehmen, die bislang mit beiden Währungen und unterschiedlichen Wechselkursen operieren müssen, vor allem Vorteile bringt, mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits herrscht die positive Erwartung, daß mit dem Ende der Doppelwährung auch die damit verbundenen sozialen Verzerrungen zumindest teilweise verringert werden. Gestellt werden aber Fragen nach dem künftigen Wechselkurs, der Inflationsgefahr durch größere Abhängigkeit der Währung vom Weltmarkt, dem weiteren Zeitplan und der Sicherheit von Ersparnissen. Ökonomen und Politiker haben darauf bislang nur teilweise Antworten. In ihrer Erklärung garantiert die Regierung den Bürgern, daß der Wert ihrer Guthaben bei kubanischen Banken in CUP, CUC oder ausländischen Währungen bei der Umstellung in voller Höhe gesichert sei. Außerdem werde die Politik der Subvention von Einzelhandelspreisen und der staatlichen Zuschüsse für einzelne Personen solange aufrechterhalten, wie »die wirtschaftlichen Bedingungen des Landes dies erfordern«.
Der in ausländischen Agenturmeldungen genannte Zeitrahmen von 18 bis 24 Monaten für die Umstellung wurde von kubanischer Seite offiziell nicht bestätigt. Regierung und Parlament wollen sich nicht selbst unter Zeitdruck setzen. So hatte Raúl Castro bereits im Juli Produktivitätssteigerungen als unverzichtbare »Voraußetzung für die Vereinheitlichung der Währungen« angemahnt. Er schloß dabei zugleich eine »Vernachlässigung der Menschen« aus, wie sie in Europa bei wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen zu beobachten sei. In Kuba werde es keine »Schocktherapie« geben.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.10.2013