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Kuba kämpft gegen Sextouristen
Justizministerin legt Bericht zur Prostitution vor. Mehr Aufklärung geplant.
Mit Sanktionen für Täter und Hilfsangeboten für Opfer hat Kuba Zuhältern, Pädophilen und dem Sextourismus den Kampf angesagt. Justizministerin María Esther Reus kündigte am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Havanna eine Linie der »Null Toleranz« für alle Vergehen an, mit denen Menschen zu Objekten oder Waren degradiert werden. In einem 26seitigen Bericht über die juristischen und strafrechtlichen Maßnahmen präsentierte die Justizministerin beispielhafte Fälle von Urteilen zu Sexualdelikten aus den letzten zwölf Monaten sowie das Konzept der kubanischen Behörden zur Bekämpfung derartiger Straftaten. Neben deren Verfolgung stehe die Vorbeugung im Mittelpunkt der Aktivitäten, in die neben Polizei und Justiz weitere Einrichtungen des Staates und der Zivilgesellschaft einbezogen würden, erklärte Reus.
Im vergangenen Jahr seien insgesamt 241 Personen wegen Zuhälterei oder anderer Sexualstraftaten gegen Frauen, Heranwachsende und Kinder angeklagt und 224 verurteilt worden, 143 davon zu Gefängnisstrafen. Wegen des sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen befänden sich derzeit sieben ausländische Straftäter in Haft, teilte die Ministerin mit. Die Fälle von Kindesprostitution hätten sich überwiegend auf Mädchen konzentriert, deren Durchschnittsalter bei 15 Jahren lag. Statistisch hätten sich die Vergehen gegen Minderjährige im vergangenen Jahr auf niedrigem Niveau befunden. Nach dem von Reus vorgelegten Bericht waren die Behörden insgesamt 2.117 Anzeigen nachgegangen, in Kuba Leben 2,3 Millionen Kinder. Trotzdem soll die Aufklärung und Information über das Thema in Schulen, Einrichtungen der Pioniere und des Jugendverbandes sowie in Freizeiteinrichtungen und über die Medien verstärkt werden. Die Ministerin verwies auch auf die Tätigkeit von landesweit 173 Informationseinrichtungen des Frauenverbandes, die professionelle Beratung und Hilfe bei Problemen wie Entwicklungsstörungen von Kindern, familiärer Gewalt oder Überforderung von Eltern anbieten. Im vergangenen Jahr hätten 40.710 Ratsuchende in derartigen Zentren Unterstützung gefunden.
Nach dem aktuellen Situationsbericht haben das vergleichsweise hohe Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitsniveau und das weitgehend intakte soziale Netz Kuba bisher vor den katastrophalen Ausmaßen des Sexgeschäfts in anderen Ländern bewahrt. Während die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Erwachsenen in den meisten Ländern von international agierenden Banden und der Organisierten Kriminalität betrieben wird, denen die Opfer nur in seltenen Ausnahmefällen entkommen könnten, vollziehe sich die Prostitution in Kuba eher auf individueller Basis. Obwohl sie im Vergleich zu anderen Ländern zahlenmäßig unbedeutender und von den kriminellen Begleiterscheinungen her weniger gefährlich ist, wollen die kubanischen Behörden der Prostitution künftig stärker entgegenwirken. So bereite etwa das Tourismusministerium ein Bündel von Maßnahmen vor, um Sextouristen von Hotels und anderen Einrichtungen fernzuhalten. Dazu gehören neue Angebote für Familien, wie zum Beispiel der kostenlose Aufenthalt von Kindern bis zum zwölften Lebensjahr. In Zusammenarbeit mit den ausländischen Vertragspartnern soll der Sextourismus bereits im Vorfeld verhindert werden, sagte Ministerin Reus.
Um weitergehende Forderungen soll es auf dem ersten in Kuba veranstalteten Internationalen Symposium zu Sextourismus, Prostitution und Menschenhandel vom 28. bis 30. November in Havanna gehen. Das vom Nationalen Zentrum für Sexualerziehung (Cenesex) organisierte Expertentreffen könne der Politik des Landes wichtige Impulse geben, hofft dessen Direktorin Mariela Castro, die Tochter des amtierenden Präsidenten Raúl Castro. Sie sei zum Beispiel dafür, die Kunden von Prostituierten zu sanktionieren, sagte die Cenesex-Chefin und erklärte: »Sie sind es schließlich, die Nachfrage erzeugen und damit Menschen zur Ware machen.«
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
junge Welt, 18.10.2013